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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Lehne empor. War der Eingang bewacht? Ich blickte hinab und sah keinen Menschen. Das Lager befand sich wahrscheinlich in der Mitte des eine halbe Stunde langen Tals, denn der hintere Teil war jedenfalls für die Pferde reserviert. Ich ging weiter. Die Zeit schien ungemein glücklich gewählt zu sein, denn es gab keinen Menschen hier oben und auch keine neue Spur, welche gesagt hätte, daß in den letzten Stunden jemand dagewesen sei.
    Bald sah ich die ersten Zelte, und als ich noch eine Strecke weiter gegangen war, sah ich das ganze Lager unten liegen. Es bestand aus lauter leinenen Sommer- und nicht aus ledernen Winterzelten. Ich nahm mir nicht die Zeit, sie zu zählen, aber es waren weit über hundert Stück. Belebt waren die Plätze vor und zwischen den Zelten von lauter Knaben, Frauen und Mädchen. Männer sah ich nur wenige, und die schienen alt zu sein. Sollten die hundertvierundfünfzig Mann, welche Vupa Umugi bei sich hatte, alle seine Krieger sein, so daß keiner hier zurückgeblieben war? Das konnte ich mir nicht denken, denn es wäre eine große Unvorsichtigkeit gewesen. Ohne allen Schutz konnte er das Lager unmöglich gelassen haben. Hinter demselben sah ich, wie ich gedacht hatte, eine Anzahl Pferde weiden.
    Ich ging noch weiter, um eine Stelle zu finden, die mir eine bessere Aussicht bot. Es galt ja, an irgendeinem Anzeichen das Zelt zu erkennen, in welchem Bob steckte. Jedenfalls lagen Wächter vor demselben. Und richtig! Am Eingang des hintersten Zelts lagen zwei Krieger. Das war sehr wahrscheinlich das gesuchte. Nicht weit davon stand ein andres Zelt, welches größer als die übrigen war. Vor demselben waren zwei Stangen eingerammt, an welchem verschiedene, sonderbar gestaltete Gegenstände hingen. Waren das Medizinen? War es das Häuptlingszelt? Wahrscheinlich! Jeder Krieger hat nur eine Medizin; verliert er sie, so hat er die Ehre verloren, bis er diejenige eines Feindes erobert, indem er ihn tötet. Stirbt er, so bekommt er seine Medizin mit in das Grab. Aber es gibt auch einzelne Stämme, bei denen die Medizinen von den Nachkommen aufbewahrt werden. Sie bilden ein heiliges, kostbares Andenken an die Vorfahren, und wer sie verliert, ist in den Augen der andern vollständig zugrunde gerichtet. Es kam mir ein Gedanke. Sollten das die Medizinen von den Ahnen des Häuptlings Vupa Umugi sein? Dann mußte ich sie haben, unbedingt haben. Sie konnten mir bei dem Kampf zwischen den Apachen und Comanchen die unschätzbarsten Dienste leisten.
    Als ich noch ein wenig weiter ging, sah ich plötzlich eine Fußspur, höchstwahrscheinlich die Spur eines Weibes, welches hier am Abhang heraufgeklettert war. Sie durfte mich nicht sehen; ich mußte zurück. Eben wollte ich mich umdrehen, da raschelte es im Gebüsch, und sie stand vor mir. Schon hob ich den Arm, um sie zu fassen, da ließ ich ihn wieder sinken, nicht weil sie nur ein Weib war, denn in solchen Lagen ist jedes Auge, welches einen sieht, unschädlich zu machen, sondern des Ausdrucks wegen, welcher bei meinem Anblick in ihr Gesicht trat.
    Sie war alt. Ihre ungewöhnlich hohe und breitschultrige Gestalt war nur mit einem blauen, hemdähnlichen Gewand bekleidet. Von dem bedeckten Kopf hing das graue Haar in ungekämmten, wirren Strähnen nieder. Ihr Gesicht war tief gebräunt, doch hätte ich es an einem andern Ort wohl nicht für das einer Indianerin gehalten. Sie hatte kaukasische Züge, und es war mir sogar, als ob ich ähnliche schon einmal, und zwar vor kurzer Zeit, gesehen hätte. Das Gesicht war tief durchfurcht und schrecklich eingefallen, und die Augen, diese Augen! Was hatten sie nur für einen Blick! So starre und dabei flackernde, wilde und dabei trostlose Augen hatte ich in Irrenhäusern gesehen. Ja, das war es, dieses Weib war wahnsinnig, unbedingt wahnsinnig. Erst stierte sie mich zornig forschend an; dann bekamen die Augen einen milden Glanz; die farblosen Lippen lächelten; die skelettartigen Finger krümmten sich, um mir zu winken, und dann hörte ich die leisen, hastigen Worte:
    „Komm her, komm her! Ich muß dich fragen!“
    Ich trat die drei Schritte, welche uns trennten, zu ihr hin. Sie ergriff meinen Arm, grub ihre Finger in den Ärmel ein und fragte:
    „Du bist ein Bleichgesicht?“
    „Ja“, antwortete ich ebenso leise. „Wer bist denn du?“
    „Ich bin Tibo-wete-elen“, raunte sie mir zu.
    Wete heißt Frau; aber was Tibo und elen bedeuten sollten, das wußte ich nicht; in allen Dialekten, die ich kannte, kamen diese

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