07 - Old Surehand I
beiden Worte nicht vor.
„Hast du einen Mann?“ fragte ich.
„Ja. Er heißt Tibo-taka.“
Wieder dieses unbekannte Tibo! Taka heißt Mann.
„Wo ist er?“ erkundigte ich mich.
Da hielt sie den Mund ganz nahe an mein Ohr und flüsterte mir zu:
„Er holt den ‚Blutigen Fuchs‘. Er muß mit in die Wüste, denn er ist der Medizinmann des Stamms.“
Ja, sie war wahnsinnig, sonst hätte sie das einem Fremden, einem Weißen nicht gesagt. Dann faßte sie mich an den beiden Armen und fragte mit dem Ausdruck der größten Spannung:
„Hast du meinen Wawa Derrick gekannt?“
Wawa heißt Bruder. Und Derrick? Sollte sie den englischen Namen Dietrich meinen? Aber der Bruder dieser Indianerin kann doch unmöglich Derrick, Dietrich heißen? Wahrscheinlich war mir das Wort, welches sie meinte, auch unbekannt.
„Nein“, antwortete ich.
„Du bist ein Bleichgesicht und hast ihn nicht gekannt? Besinne dich! Du mußt ihn gekannt haben. Ich will es dir zeigen. Besinne dich!“
Sie brach einen dünnen Zweig vom Busch, bog ihn rund zusammen; verwand die beiden Enden, setzte sich ihn auf den Kopf und flüsterte mit seligem Lächeln:
„Das ist mein Myrtle-wreath, mein Myrtle-wreath! Gefällt er dir? Gefällt er dir?“
Höchst sonderbar! Dieses Comanchenweib bediente sich des englischen Worts Myrtle-wreath. Myrtenkranz! Welche Indianerin kennt dieses Wort? Keine! Ich faßte nun sie am Arm und fragte:
„Bist du vielleicht eine Weiße? Sag es mir!“
Da ließ sie ein eigentümliches, unbeschreibliches Kichern hören und antwortete mir:
„Du hältst mich für eine Weiße, weil ich schön bin, sehr schön, und einen Myrtle-wreath trage? Blick mir nicht in die Augen, sonst wird die Sehnsucht dich verbrennen, wie sie mich verbrennt! Hast du meinen Wawa Derrick gekannt? Soll ich dir das Zelt zeigen, in dem ich wohne?“
„Zeig es mir!“
„Komm, tritt weiter vor an den Rand! Aber laß dich ja nicht sehen, sonst mußt du dein Leben geben! Unsre Krieger töten jedes Bleichgesicht. Ich aber freue mich, daß ich dich gesehen habe, und werde kein Wort davon sagen, denn du wirst tun, um was ich dich bitte.“
„Ich tu es. Was wünschst du?“
Sie nahm den Zweig vom Kopf, gab ihn mir und sagte:
„Wenn du meinen Bruder Wawa Derrick siehst, so gib ihm diesen Myrtle-wreath! Willst du?“
„Ja. Aber wo ist dein Wawa Derrick?“
„Ja – in – in – – – ich weiß es nicht mehr; ich habe es vergessen; du wirst ihn aber finden. Nicht?“
„Ja“, antwortete ich, um sie zu erfreuen. „Was soll ich ihm dazu sagen?“
„Du sagst, daß – daß – daß – du brauchst nichts zu sagen. Wenn er den Myrtle-wreath erblickt, weiß er ganz genau, was ich meine. Und nun schau hier hinab! Siehst du in der zweiten Reihe das Zelt mit dem Zeichen des Medizinmanns?“
„Ich seh es.“
„Da wohne ich mit Tibo-taka und heiße Tibo-wete-elen. Wirst du das merken können? Vergiß es nicht!“
„Ich vergesse es nicht. Wer wohnt in dem großen Zelt mit den beiden Stangen?“
„Da wohnt Vupa-Umugi, der unser Häuptling ist.“
„Er ist fort. Wer ist jetzt drin?“
„Nur sein Weib und seine Tochter.“
„Weiter niemand? Auch des Nachts?“
„Auch des Nachts weiter niemand.“
„Und wer wohnt da in dem letzten Zelt, vor welchem die beiden Krieger liegen?“
„Da wohnt der Neger, der getötet wird, wenn der ‚Blutige Fuchs‘ gekommen ist.“
„Wird er sehr streng bewacht?“
„Sehr! Von zwei Kriegern, stets!“ sagte sie wichtig.
„Habt Ihr jetzt viele solche Krieger hier?“
„Nur die beiden, die du siehst. Viele sind mit dem Häuptling in die Wüste, und die andern gingen auf die Jagd, um Fleisch zu holen; sie kommen morgen oder in zwei Tagen wieder. Du wirst den Myrtle-wreath nicht verlieren, sondern gut bewahren?“
„Sorge dich nicht; ich halte ihn fest.“
„Und ihn meinem Wawa Derrick geben?“
„Sobald ich ihn finde, ja.“
„Du wirst ihn finden und – – –“ Sie sah vor sich nieder, als ob sie in ihrem Innern nach etwas suche, ergriff dann meine Hand und fuhr fort: „Und wirst ihm noch etwas bringen, was ich dir jetzt gebe?“
„Ich gebe es ihm.“
Da legte sie schnell die Arme um meinen Hals, küßte mich so rasch, daß ich es gar nicht hätte abwehren können, wenn mein Herz es zugegeben hätte, es ihr zu verwehren, trat dann zurück und bat:
„Nun muß ich gehen; geh du auch! Aber sag keinem Menschen etwas davon, daß du mich getroffen hast! Von mir wird es auch
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