07 Von fremder Hand
glauben.«
»Wenn du nicht gewesen wärst...«
»Was ich getan habe, war doch selbstverständlich. Kein Grund, mir übertrieben dankbar zu sein.« Augenzwinkernd fügte Fiona hinzu: »Vielleicht hatte ja dein Gott die Hand im Spiel.«
»Wie kam es denn eigentlich, dass du mich gefunden hast?«
»Ich hatte gemalt. Als ich an einen Punkt kam, wo ich eine Pause einlegen musste, habe ich einen Spaziergang gemacht. Und dann lagst du da auf der Straße.« Fiona zuckte mit den Achseln. »Klingt ganz einfach, wenn man es so betrachtet. Aber um ehrlich zu sein, es war ein ganz merkwürdiger Abend. Ich hatte die Abtei gemalt, was in all den Jahren, seit ich in Glastonbury bin, noch nie vorgekommen war. Und als ich dann aus dem Haus ging, hatte ich so ein Gefühl, als ob irgendwo etwas auf Messers Schneide stünde.«
Winnie betrachtete ihre Freundin aufmerksam. »Fiona - da war doch noch etwas anderes, habe ich Recht?«
»Ich habe das Kind gemalt. Wieder einmal. Aber diesmal war etwas anders. Das Mädchen schien geschützt, geborgen im Schoß der Abtei. Und«, fuhr Fiona fort, »ich hörte Singen. Du weißt ja, was für ein Augenmensch ich bin - ich höre die Dinge nicht, ich sehe sie. Aber das hier - es ist so frustrierend, weil ich nun mal nicht musikalisch bin -, ich kann es nicht beschreiben. Schlimmer noch, ich kann es auch nicht in meinem Kopf hören. Ich weiß nur, dass es das Schönste war, was ich je erfahren habe.«
»Aber Jack und ich - wir -«
»Ich weiß. Jack hat mir von eurem Choral erzählt. Was ich nicht verstehe ist, welche Rolle ich dabei spiele - oder warum du mich an diesem Abend besuchen wolltest.«
»Ich wünschte, ich könnte mich erinnern!«
»Winnie...« Fiona runzelte die Stirn. »Das mit Garnet tut mir so Leid. Ich weiß, dass ihr Freundinnen wart.«
»Ich verstehe, dass manche Leute sie vielleicht für schwierig gehalten haben. Sie hatte...«
»Sehr dezidierte Ansichten.«
»Ja. Sie hatte etwas Elementares an sich. Aber du und Bram, ihr habt sie ja auch gekannt. Das hatte ich vergessen.«
»Garnet hat schon damals ihre Ansichten sehr leidenschaftlich vertreten. Aber zu der Zeit war es natürlich noch >in<, radikal zu sein. Ich finde, wir sollten es ihr hoch anrechnen, dass sie ihren Überzeugungen treu geblieben ist, anders als die meisten von uns. Bram und ich haben unser Engagement gegen bürgerliche Annehmlichkeiten eingetauscht.«
»Ich habe sie an diesem Nachmittag gesehen. Im Café - aber das weiß ich nur, weil man es mir gesagt hat. Ich komme mir vor, als wäre ich beraubt worden...«
»Eine letzte Erinnerung?«
Winnie konnte nur nicken.
»Lass uns mal etwas ausprobieren«, schlug Fiona lebhaft vor. »Was ist deine letzte deutliche Erinnerung vor dem Unfall?«
Winnie spürte, wie sie errötete.
»Den Teil darfst du überspringen«, meinte Fiona lachend. »Hat Jack bei dir übernachtet?«
»Ich - ich weiß es nicht.«
»Ist er gewöhnlich über Nacht geblieben?«
»Nein. Nicht im Pfarrhaus. Ich dachte, ich müsste ein gewisses Maß von Anstand wahren. Aber inzwischen... wäre es mir vollkommen schnuppe.«
»Wir können ihn ja fragen. Er wird sich daran erinnern. Wie steht es mit dem Morgen danach? War er verregnet oder sonnig?«
»Sonnig«, antwortete Winnie wie aus der Pistole geschossen und starrte Fiona daraufhin verblüfft an. »Woher habe ich -«
»Was hast du nach dem Aufstehen gemacht?«
»Mein Morgengebet gesprochen. Das ist einfach.«
»Okay. Und was hattest du zum Frühstück?«
»Toast und Tee.«
»Dann hast du dich angezogen. Warum hast du das Fahrrad genommen und nicht den Wagen?«
»Weil ich - weil es so ein schöner Tag war.«
»Also, du hast dich aufs Rad geschwungen und bist losgefahren. Es war noch kühl, und die Morgensonne war angenehm. Wohin bist du gefahren?«
»Nach Glastonbury.« Winnie lachte. »Das ist ja erstaunlich! Das wusste ich, ohne nachzudenken.«
»Vom Pfarrhaus aus musst du zuerst zu dem Kreisel am Fuß von Wearyall Hill gekommen sein. Bist du rechts abgebogen, in Richtung Tor? Oder bist du geradeaus gefahren, in die Stadt rein?«
»Ich bin geradeaus gefahren, in die Magdalene Street. Die Abtei! Ich bin zur Abtei gefahren! Ich - ich - ich kann mich verdammt noch mal nicht erinnern! Danach ist einfach alles weg.«
»Schsch! Versuch nicht, es zu erzwingen. Wir sind ja schon ein
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