07 Von fremder Hand
ich mir eingeredet, dass es nur ein unbedeutendes akademisches Problem gewesen sei - und das habe ich mir seither nie verzeihen können.«
Jack legte seine Hand auf ihre. »Du warst jung und unerfahren -«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist keine Entschuldigung für das, was ich getan habe. Das weiß ich. Aber ich weiß auch, dass man Simon Fitzstephen nicht trauen kann. Er würde dich von einer Minute auf die andere verraten, wenn es zu seinem Vorteil wäre.«
»Aber es gibt nichts zu verraten«, protestierte Jack. »Welchen denkbaren Nutzen könnte Simon davon haben, dass er mir hilft?«
»Ich weiß es nicht. Aber versprich mir, dass du vorsichtig sein wirst.«
Damit musste sie sich zufrieden geben. Jack hatte darauf bestanden, bis zum Beweis des Gegenteils nur das Beste von Simon anzunehmen, und ihr wurde klar, dass sie diesen Zug an ihm nicht ändern würde, selbst wenn sie es gekonnt hätte - es war einer der Gründe, weshalb sie ihn liebte.
Wenn ihr Bruder nur ebenso großmütig wäre, dachte Winnie, womit sie wieder bei dem Problem war, das sie ursprünglich am Einschlafen gehindert hatte. Sie wusste nicht, wie sie Andrew anders würde beschwichtigen können als durch eine Trennung von Jack, wozu sie nicht bereit war, oder indem sie Jack dazu überredete, seine Kommunikation mit Edmund aufzugeben, wozu er wiederum nicht bereit war - selbst wenn es möglich gewesen wäre. Dieser Riss in ihrer Beziehung zu ihrem Bruder quälte sie unaufhörlich wie ein schmerzender Zahn.
Sie nippte an ihrer Milch und dachte an Faith Wills und an Andrews Kritik an ihrem Versuch, zwischen Faith und ihrer Familie zu vermitteln. In gewisser Weise hatte Andrew Recht behalten, da die Dinge sich keineswegs so entwickelt hatten, wie Winnie gehofft hatte, aber dennoch war sie immer noch der festen Überzeugung, richtig gehandelt zu haben. Faith hatte sich bereit erklärt, ihre Mutter zu treffen, und sogar schon einen Zeitpunkt für eine Zusammenkunft im Pfarrhaus ausgemacht, hatte es sich dann jedoch urplötzlich anders überlegt. Winnie war es nicht gelungen, das Mädchen von ihrer Entscheidung abzubringen, und Faith verweigerte jede Erklärung. Je näher Faiths Termin rückte - es waren jetzt nur noch wenige Wochen bis zu dem Datum Ende Oktober -, desto größere Sorgen machte Winnie sich um sie.
Zwar hatte Garnet ihr versichert, es gehe Faith gut und die Schwangerschaft verlaufe völlig normal, doch Winnie hatte das Gefühl, dass Garnet mit etwas hinter dem Berg hielt - und dass sowohl Faith als auch Garnet sie mieden. Hatte sie in ihrer Ahnungslosigkeit die beiden gegen sich aufgebracht, indem sie sich bemüht hatte, Faith wieder mit ihren Eltern zusammenzuführen?
Die Spannungen zwischen Nick und Garnet hatten sich ebenfalls nicht gelegt, da ihre gemeinsame Sorge um Faith ihre Feindseligkeit nur zu verstärken schien.
Und soweit Winnie wusste, schien immer noch niemand in der Gruppe wirklich zu verstehen, was Edmund eigentlich von ihnen wollte.
Mit einem Seufzer stellte sie ihre leere Tasse ab und rieb sich das Gesicht. Müde, aber dem Schlaf immer noch nicht näher, konnte sie das Gefühl nicht loswerden, dass irgendeine Krise unmittelbar bevorstand, und sie fand auch keinen Trost in der Stelle aus dem Epheserbrief, die ihr plötzlich in den Sinn kam. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Konnte es sein, dass an Garnets unheilvollen Vorhersagen von Verhängnis und dunklen Mächten etwas Wahres war?
Nein, gewiss nicht. Das war absurd. Aber was immer der Grund für ihre Vorahnungen war, sie musste Jack beschützen, so gut sie konnte - und das würde ihr nur gelingen, wenn sie genau wusste, womit sie es zu tun hatte.
Sosehr ihr die Vorstellung missfiel, es war Zeit, dass sie Simon Fitzstephen Auge in Auge gegenübertrat. Und sie durfte nicht vergessen, dass sie es war, die die besseren Karten hatte.
Nachdem sie ihre Entscheidung getroffen hatte, wusch sie ihre Tasse im Spülbecken aus, schaltete das Licht aus und ging nach oben. Sie kroch unter die Decke, und kaum hatte sie sich an Jacks massige und beruhigend warme Gestalt geschmiegt, da fiel sie auch schon in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
Wir, die Wachenden... verwünschen den Tag, da Thurstan kam... An jenem Tag senkte sich Finsternis
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