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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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    Faith hatte den Eindruck, dass es ihr von Tag zu Tag schwerer fiel, den verdammten Berg hoch zu gehen. Die steil ansteigende Wellhouse Lane war jetzt noch tückischer durch die glitschige Masse von welkem Laub, die den Asphalt bedeckte, und wenn sie stürzte, würde sie so hilflos sein wie eine auf den Rücken gedrehte Schildkröte. Das Baby hatte seine Füße fest gegen ihr Zwerchfell gestemmt, und der Druck seines Kopfes auf ihren Ischiasnerv verursachte stechende Schmerzen, die ihr bis in den Oberschenkel fuhren. Jedenfalls hatte Garnet ihr das so erklärt, und Garnet musste es ja wissen.
      Faith blieb schnaufend stehen, drückte mit der flachen Hand gegen ihr Kreuz und schüttelte ihre Füße aus, die schon vom stundenlangen Stehen hinter der Theke des Cafes geschwollen waren. Unter sich konnte sie das Plätschern von Wasser hören. Diese Hügel waren von einem Netz von Wasseradern durchzogen - es floss durch die unter dem Asphalt verlegten Röhren, sickerte unter den Randbefestigungen hervor und quoll aus allen Winkeln und Spalten.
      Der Rauch eines Holzfeuers hing schwer in der stillen, feuchten Luft. Garnet hatte bestimmt den Ofen geheizt, und Faith malte sich aus, wie der Rauch aus dem Schornstein auf-stieg und sich über den Hang ausbreitete wie ein Mantel, der alles darunter vor den Blicken der Sterblichen verbarg. Aber solche sonderbaren Gedanken hatte sie in letzter Zeit öfter, und ihre Träume waren noch sonderbarer.
      Es war merkwürdig - je näher der Geburtstermin ihres Babys rückte, desto mehr vermisste sie ihre eigene Mutter. Sie träumte jetzt oft, dass sie die Stimme ihrer Mutter hörte, wie sie ihren Namen rief - und manchmal spürte sie sogar, wie sie ihr die Hand auf die Stirn legte und ihr über das Haar strich - und dann erwachte sie in dem stillen, kalten Zimmer, wo das einzige Lebewesen die hellbraune Katze war, die zusammengerollt am Fuß ihres Bettes lag.
      Sie machte sich wieder an den mühevollen Anstieg und setzte vorsichtig einen Fuß nach dem anderen auf den rutschigen Asphalt. Zu ihrer Linken erhob sich der massive Kegel des Tor und verdunkelte den Himmel. In der ersten Zeit, nachdem sie bei Garnet eingezogen war, hatte sie Vergnügen daran gefunden, zu der Quelle oberhalb des Hauses hinaufzuklettern und den Blick über die Levels schweifen zu lassen; dort konnte sie sich in längst vergangene Jahrhunderte zurückversetzen und sich vorstellen, wie das Land zu ihren Füßen mit Wasser bedeckt gewesen war - vom Sommersee, aus dem Glastonbury als Insel herausragte.
      Aber jetzt war die Anziehungskraft des Tor zu stark - sie trug sie mit sich herum, im Wachen wie im Schlaf. Stand dieses Gefühl einer erdrückenden Energie im Zusammenhang mit dem, was Jack und die anderen zu tun versuchten? Oder war es etwas gänzlich anderes, etwas, das so alt und dunkel war, dass es jenseits der Erinnerung lag?
      Sie wünschte, sie hätte mit Winnie darüber sprechen können. Winnie hörte zu, ohne zu urteilen, ohne zu versuchen, einen zu ihrer Sicht der Dinge zu bekehren. Aber nach dem, was Garnet ihr erzählt hatte, war sie sich nicht mehr sicher, dass sie Winnie vertrauen konnte. Das machte sie traurig, genau wie ihre Entscheidung, sich nicht mit ihrer Familie zu treffen. Sosehr sie ihr auch fehlte - dies war nicht ihr Weg, und das wusste Faith ebenso sicher, wie sie wusste, dass sie zwei Menschenleben in ihren Händen hielt.
      Der Geruch des Holzfeuers wurde stärker, als sie am Hoftor angelangte. Unter dem spitzen Schieferdach des Hauses lag der Hof in tiefem Schatten. Doch als sie den Riegel der Pforte mit einem klickenden Geräusch öffnete, ging die Haustür auf. Garnets Umrisse tauchten vor dem warmen Schimmer der Küche auf. Besorgt spähte sie in die Dunkelheit hinaus, und Faith eilte ihr entgegen.
     
    Bis auf Andrew Catesby war Jack Winnies Gästen zuvor noch nicht begegnet.
      Die Erzdiakonin Suzanne Sanborne, Winnies unmittelbare Vorgesetzte, war eine Frau in den Vierzigern mit kurz geschnittenem dunklem Haar, dessen mit silbernen Strähnen durchsetzte Locken ihr eher kantiges Gesicht umrahmten. Sie hatte eine offene und direkte Art und ein Talent, ihrem Gegenüber jede Befangenheit zu nehmen, und Jack wusste, dass Winnie sie ebenso sehr mochte wie bewunderte.
      Ihr Ehemann, David Sanborne, war Arzt und hatte eine gut gehende Praxis in Street. Seine sanfte Art bildete einen interessanten Kontrast zu der energischeren Persönlichkeit seiner

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