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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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selbstverständlich hingenommen hatte und wie sehr sie dadurch gegen offene Vorurteile abgeschottet gewesen war.
      Verschärft wurden die Probleme noch durch ihre erzwungene Trennung von Kincaid: Wenn sie Glück hatten, ließen ihre Dienstpläne ihnen einige wenige gemeinsame Stunden in der Woche. Sie sagte sich jeden Tag aufs Neue, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, dass es mit der Zeit leichter werden würde, dass sie nicht anfangen würde, über Veränderungen zu jammern, die sie selbst so gewollt hatte. Aber immer öfter musste sie feststellen, dass sie noch wach lag, wenn sie schon längst hätte schlafen sollen, und ruhelos über die Frage nachgrübelte, was sie denn nun wirklich von ihrem Leben erwartete.
      Sie goss den Rest ihres Tees in den Ausguss und spülte die Tasse ab, dann ging sie im Zimmer hin und her, schlug die Bettdecke zurück und sammelte umherliegende Spielsachen und Bücher auf. Sie empfand diese Routinehandlungen als beruhigend, denn wenn sie auch körperlich müde war, fühlte sie doch, dass sie noch keinen Schlaf finden würde.
      Beim Herumstöbern in dem Schrankkoffer, der ihr als Garderobe diente, stieß sie auf ein altes Flanellnachthemd, das sie seit dem letzten Winter nicht mehr getragen hatte. Einen Augenblick lang hielt sie den Stoff an ihre Wange, genoss das weiche Gefühl auf ihrer Haut und atmete das Rosenaroma des Duftkissens ihrer Mutter ein. Das Nachthemd war ein heiß ersehntes Weihnachtsgeschenk von ihren Eltern gewesen, als sie noch zur Schule ging, und sie konnte sich nie dazu durchringen, sich davon zu trennen, auch nicht während ihrer Ehe mit Rob, der das Teil mit einer Leidenschaft hasste, die er sich normalerweise für gegnerische Fußballteams aufsparte.
      Sie schlüpfte aus ihren Kleidern und zog das Nachthemd über, dann suchte sie sich ein Paar dicke Socken heraus. So gegen die Kälte gewappnet, ging sie ins Bad und bürstete ihr Haar, bis es knisterte, worauf sie ihr Gesicht wusch und sich die Zähne putzte. Die Toilette hob sie sich bis zum Schluss auf - aus einer Art Aberglauben heraus -, doch als sie das Papier anschließend untersuchte, war keine Spur von Rot darauf zu finden.
      Die Panik, die in ihr aufstieg, machte sie schwindelig und benommen. Aber es gab keinen wirklichen Grund zur Besorgnis, redete sie sich ein - sie war nur wenige Tage über die Zeit, und es bestand gewiss kein Anlass, Kincaid irgendetwas zu sagen. Noch nicht.
     
     

* 7
     
    So viele heilige Männer haben in Glastonbury gebetet und sind dort gestorben, dass die Atmosphäre der Religiosität noch immer lebendig und warm ist. Ihr Staub, der sich mit der Erde vermischt, weiht selbst den Boden, auf dem wir wandeln.
     
    Dion Fortune, aus: Glastonbury
     
    In der Nacht regnete es in Strömen. Nachdem Jack gegangen war, wälzte Winnie sich rastlos im Bett hin und her und fiel zwischendurch immer wieder in einen unruhigen Schlaf, in dem das Rauschen von Wasser ständig gegenwärtig war. Doch dann brach ein sonniger, vom Regen erfrischter Tag an, und als sie aufwachte, fühlte sie sich erstaunlich munter und klar im Kopf in Anbetracht ihres unterbrochenen Schlafs und der Aufgabe, die sie sich für diesen Tag vorgenommen hatte.
      Sie hatte ihren Besuch bei Simon schon zu lange vor sich her geschoben, und was Jack ihr am Abend zuvor erzählt hatte, machte es zwingend notwendig, dass sie mit ihm redete. Zunächst aber sprach sie ihr Morgengebet, und nachdem sie sich angezogen und gefrühstückt hatte, holte sie ihr Fahrrad aus dem Gartenschuppen und fuhr die drei Kilometer bis nach Glastonbury hinein. Um halb zehn erreichte sie die Abtei, die soeben ihre Tore öffnete. Hier würde sie sich sammeln können, hier würde sie sich darüber klar werden können, was sie eigentlich genau sagen wollte.
      Sie stellte ihr Rad im Fahrradständer ab, zahlte das Eintrittsgeld und ging durch das Drehkreuz hinein. Die Ausstellungsstücke in dem kleinen Museum waren kunstvoll arrangiert und informativ beschriftet, doch sie ging daran vorbei und trat durch die Glastüren hinaus auf das Abteigelände.
      Auf der Schwelle blieb sie wie angewurzelt stehen. Der Himmel strahlte in vollkommenem Blau wie das Ei eines Rotkehlchens, das smaragdgrüne Gras glitzerte noch feucht vom nächtlichen Regen, und die steinernen Mauern der Abtei glänzten golden in der Morgensonne.
      Genau deswegen war sie hergekommen. Innerhalb der Einfriedung der Abtei schienen die Luft und das Licht

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