07 Von fremder Hand
Inspector reagieren?
Sie blinzelte die aufsteigenden Tränen weg und konzentrierte sich darauf, einen LKW zu überholen, um den Escort anschließend wieder in die mittlere Spur zu lenken. Das passierte ihr in letzter Zeit viel zu oft: beim geringsten Anlass gleich loszuheulen. Ein schlechtes Zeichen. Außer Kontrolle geratene Hormone, gemischt mit einer gehörigen Dosis Selbstmitleid. Die Ironie der ganzen Situation ließ sie prustend auflachen, worauf Kincaid neben ihr blinzelte und sich in seinem Sitz zu räkeln begann.
»’tschuldigung. Hab ich geschnarcht?«
»Im Gegenteil, du hast ganz sanft geschlummert. Aber du könntest mal einen Blick auf die Karte werfen. Ich glaube, unsere Ausfahrt kommt bald.«
Er griff hinter sich und fischte den großformatigen Autoatlas von der Rückbank. Nachdem er einen Blick auf die aufgeschlagene Seite geworfen hatte, sagte er: »Ausfahrt 17 Richtung Chippenham, Bridgewater und Taunton.«
»An der 16 sind wir schon vor ein paar Kilometern vorbeigefahren.« Regentropfen begannen gegen die Windschutzscheibe zu klatschen, und Gemma schaltete die Scheibenwischer ein. »Es wird von Minute zu Minute dunkler.«
»Hoffentlich kein schlechtes Omen für das Wochenende«, meinte Kincaid grinsend. »Soll ich das letzte Stück fahren?«
»Es geht noch.«
»Du willst mir ja bloß nicht das Steuer überlassen.« Kincaid klopfte mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett. »Na, bist du nicht froh, dass du endlich mal einen Grund hast, mit dem guten Stück über die Autobahn zu brausen?«
»Ich freue mich darauf, deinen Cousin kennen zu lernen«, gab sie zurück. »Weil er mich dann nämlich über all eure peinlichen Jungenstreiche aufklären kann. Aber im Ernst«, fuhr sie fort und warf ihm einen Seitenblick zu, »das klingt ja schon ein bisschen nach Verfolgungswahn, wenn er sagt, jemand hätte seine Freundin absichtlich überfahren. Ich hoffe, du reitest dich da nicht in irgendeine unangenehme Geschichte rein.«
»Jack ist wirklich der Letzte, den ich als übertrieben misstrauisch oder ängstlich bezeichnen würde. Aber ich habe ihn seit Emilys Tod nicht mehr gesehen. Vielleicht hat er sich ja verändert.«
Seine Frau und ihr neugeborenes Kind, hatte Kincaid ihr erzählt. Gemma überlief es eiskalt. Man durfte gar nicht daran denken. »Wie lange ist es jetzt her, dass sie gestorben ist?«, fragte sie.
»Zwei Jahre. Ungefähr zu der Zeit, als wir anfingen, zusammen zu arbeiten.«
Wie unerfahren sie damals gewesen war. Und wie wenig sie von dem geahnt hatte, was sich zwischen ihnen entwickeln sollte.
»Werden wir bei ihm übernachten?«, fragte sie.
»Er hat nichts gesagt. Soweit ich mich erinnere, ist das Haus so ein großer viktorianischer Klinkerbau. Es steht direkt am Fuß des Tor.«
»Des Tor?«
»Du wirst schon sehen«, antwortete er geheimnisvoll. »Als ich noch klein war, fand ich ihn immer ganz aufregend und auch ein bisschen gruselig, aber Jack schien das egal zu sein. Wahrscheinlich, weil er dort aufgewachsen ist.«
Fasziniert von diesem unbekannten Aspekt seiner Kindheit, fragte Gemma nach: »Hast du sie oft besucht?«
»Nur ein paar Mal. Gewöhnlich kamen sie uns besuchen. Ich glaube, meine Tante Olivia hat ihr Heimweh nach Cheshire nie so ganz überwunden.«
»Deine Mutter hat also den Familienbesitz geerbt?«
Er lachte. »Das klingt ja, als wäre es irgendein gewaltiges Landgut. Es ist bloß ein ziemlich weitläufiges altes Bauernhaus, und auch hier und da schon ein wenig undicht. Ich werde es dir irgendwann mal zeigen. Dir und Kit.«
»Das würde mich freuen«, antwortete Gemma unverbindlich, da sie das Thema nicht weiter verfolgen wollte. Stattdessen fragte sie: »Was hat Kit dazu gesagt, dass wir übers Wochenende weg sind?«
»Er hatte schon Pläne mit den Millers gemacht. Eine Hundeausstellung in Bedford.«
»Hat Ian sich mal wieder zu dem Job in Kanada geäußert?«
»Nein. Er will sich immer noch nicht festlegen. Warum, weiß ich nicht.«
»Vielleicht will er ja den Job, hat aber ein schlechtes Gewissen deswegen.«
»Er muss sich bis zum Beginn des Frühjahrssemesters entscheiden.« Kincaids Verärgerung war offensichtlich. »Ich will nicht, dass die Umstellung für Kit noch schwieriger wird, als sie ohnehin schon sein muss.«
»Nimmst du da nicht zu viel vorweg, wenn du davon ausgehst, dass Ian nicht darauf bestehen wird, Kit nach
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