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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Kanada mitzunehmen? Das Recht dazu hat er schließlich.«
      »Ja, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er es wirklich tut. Das würde ihn zu sehr in seiner Lebensart behindern. Momentan kommt er bei den Damen ganz gut an mit seiner Nummer vom trauernden Witwer mit Kind, aber in einer neuen Umgebung könnte sich Kit eher als Klotz am Bein für ihn erweisen.«
      »Das ist aber ganz schön hart.«
      »Aber wahr.«
      Gemma musste ihm beipflichten. Im Laufe der Zeit hatte sie von Kit schon das eine oder andere über Ians »Tutorien« hinter der verschlossenen Tür von Vics ehemaligem Büro mitbekommen.
      Als sie ihre Ausfahrt erreicht hatten, verfielen sie in Schweigen, und bald schon fuhren sie in südlicher Richtung, mit dem Flachland von Wiltshire zur Linken und den sanft ansteigenden Hügeln von Somerset zur Rechten. In Trowbridge nahmen sie die A 361 in Richtung Shepton Mailet und Glastonbury. Im Westen wurde es allmählich heller.
      »Vielleicht verziehen sich die Wolken ja wieder«, meinte Kincaid hoffnungsvoll, und als sie durch das idyllisch am Hang gelegene Dorf Pilton fuhren, nur noch wenige Kilometer östlich von Glastonbury, erwies sich seine Vorhersage als korrekt. Die dichte Wolkendecke war aufgerissen und einem milchigblauen Himmel gewichen, an dem nur ein paar dünne Wolkenfetzen dahinzogen.
      Gemma, die sich auf die Straße konzentrierte, erblickte plötzlich aus dem Augenwinkel einen seltsamen kegelförmigen Berg, der nach der nächsten Kurve bereits wieder verschwunden war. »Was in aller Welt war das?«
      »Der Glastonbury Tor.«
      Am Horizont wurde der Berg wieder sichtbar, und dieses Mal blieb er auch dort. Er sah künstlich aus, wie ein von Menschenhand errichteter Hügel, und auf dem Gipfel war der gedrungene Umriss eines Gebäudes zu sehen, das einem Papierhut von der Sorte glich, wie man sie in Knallbonbons findet. »Hat irgendjemand den künstlich errichtet?«, fragte Gemma.
      »Nein. Der Berg selbst ist eine geologische Formation. Die Form der Hänge könnte durchaus Menschenwerk sein, aber wenn das so ist, dann liegt es so lange zurück, dass niemand mehr weiß, wer es gemacht hat und warum.«
      »Und das Bauwerk auf dem Gipfel?«
      »Das ist der St.-Michaels-Turm. Der einzige Überrest einer Kirche aus dem zwölften Jahrhundert, die von einem Erdbeben zerstört wurde. Der Legende nach war es der letzte Rückzugsort der Christen im Kampf gegen die Heiden.«
      »Das glaubst du doch wohl nicht?«
      Er schüttelte den Kopf. »Ich bin dort oben gewesen. Der Wind bläst durch den Turm hindurch wie ein Messer, und die Steine sind kälter als das Grab. Ich bezweifle, dass irgendetwas Christliches sich auf diesem Gipfel lange Zeit halten konnte.«
     
    »Bist du sicher, dass du nicht hineingehen und dich ein paar Minuten zu ihr setzen willst?«, fragte Suzanne Sanborne. »Ich glaube, es würde ihr helfen -«
      »Nein!« Als er die erschrockenen Blicke der anderen Besucher bemerkte, senkte Andrew seine Stimme zu einem Fauchen. »Du verstehst das nicht. Unsere Eltern -« Er brach ab; selbst nach so vielen Jahren brachte er es immer noch nicht fertig, das Entsetzen in Worte zu fassen, das er damals empfunden hatte - damals, als man ihn gezwungen hatte, am Bett seiner bewusstlosen Mutter zu stehen. Sie war schon zu lange im Wasser gewesen, als man sie vor der Küste von Dorset aus dem Wrack ihres Segelbootes geborgen hatte. Und nun Winnie...
      »Dann solltest du dir etwas Ruhe gönnen. Du tust Winnie keinen Gefallen, wenn du dich derart erregst.«
      »Ich kann nicht schlafen.« Andrew verschränkte seine sichtlich zitternden Hände zwischen den Knien, um sie ruhig zu stellen. Sie saßen in der Besucherzone vor dem Eingang zur Intensivstation und warteten darauf, dass die Schwestern Suzanne einen weiteren zehnminütigen Aufenthalt an Winnies Bett einräumten.
      »Dann gehst du eben noch in der Praxis vorbei und lässt dir von David Tabletten verschreiben. Ich bleibe hier und bei Winnie, bis Jack kommt. Es ist nicht nötig, dass du -«
      »Was gibt ihm das Recht, hier zu sein?« Die Wut, die sich über Monate in ihm aufgestaut hatte, brannte wie Salzsäure in seiner Kehle. »Dir vorzuschreiben, wie du deine Zeit einzuteilen hast, das Pflegepersonal herumzukommandieren -«
      »Jack ist hier, weil Winnie es so wünschen würde.« Wieder diese leichte Berührung von Suzannes Fingern an seinem Arm, wieder der unverwandte Blick, den er nicht

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