070 - Neues vom Hexer
es ihr nicht gelingen wolle, die verlangte Summe aufzutreiben, aber schließlich erhielt er ein Telegramm.
Treffpunkt acht Uhr an der gewöhnlichen Stelle. Bringen Sie den Brief. Geldbetrag bereit.
Er nahm den kompromittierenden Brief aus dem Geldschrank, steckte ihn ein und wollte gerade zu einem kleinen Klub in Soho gehen, wo Rennwetten abgeschlossen wurden, als er ans Telefon gerufen wurde.
Es gibt mehr als achtzehntausend Polizisten in London, und es wäre ein Wunder, wenn sich unter ihnen nicht auch einige verbrecherisch veranlagte Charaktere befänden. Einer von diesen war wegen verschiedener Vergehen aus der Polizei entfernt worden, stand aber noch mit seinen früheren Kollegen in Verbindung und wußte alle wichtigen Dinge, die in Scotland Yard passierten. Für Mr. Exsome war dieser Mann von unschätzbarem Wert.
»Hier ist Joe«, sagte er, und wenn Joe so dringend sprach, wußte Mr. Exsome, daß Gefahr im Verzug war.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er schnell.
»Ich habe eben etwas Wichtiges gehört. Bliss hat eine Anzeige gegen Sie erhalten. Jemand hat nicht dichtgehalten. Der Betreffende heißt Lynne.«
Mr. Exsome nickte. Er erinnerte sich genau an Lynne. Er war der Sohn eines reichen Börsenmaklers und durch Unvorsichtigkeit in eine sehr fatale Situation gekommen. Mr. Exsome hatte die Chance rücksichtslos ausgenützt.
»Ist schon ein Haftbefehl gegen mich ausgestellt?«
»Noch nicht, das kommt morgen. Sie stehen aber bereits von heute abend an unter Polizeiaufsicht.«
»Danke vielmals, Joe.«
Mr. Exsome war auf eine solche Krise gefaßt. Seine Depositenkasse lag nur ein paar Schritte von seiner Wohnung entfernt.
Zwanzig Minuten vor Kassenschluß ging er hin und hob so viel ab, daß der Vorsteher auf die Reserven zurückgreifen mußte.
Gleich darauf fuhr er zu seiner Wohnung zurück und sprach mit seiner Frau. Sie hatte ein Privatkonto, und er brauchte im Augenblick nicht für sie zu sorgen.
»Ich muß auf ein paar Monate verreisen«, erklärte er ihr, und sie nahm diese Mitteilung gelassen entgegen.
Er las das Telegramm, das er von Mrs. Verriner erhalten hatte, noch einmal durch und legte sich dann seinen Plan zurecht. Er wollte mit dem Zug nach Windsor fahren und sein Fahrrad mitnehmen. Von der Station aus konnte er durch den großen Park radeln und das kleine Haus auf dem Gut von Mrs. Verriner in der Dämmerung erreichen. Wenn er das Geld einkassiert hatte, wollte er mit dem Rad nach Slough fahren und dann mit der Bahn nach Plymouth. Er wußte, daß an diesem Abend noch ein Dampfer von dort nach Frankreich abging. Wenn der Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde, war er schon längst in Sicherheit.
Es wickelte sich auch alles glatt ab, genau wie er es geplant hatte. In Ruhe konnte er durch den großen Park von Windsor radeln und kam sogar noch eine Viertelstunde zu früh vor dem einsamen Haus an. Niemand war in Sicht, als er durch das Gartentor ging und sich dem Haus näherte. In der Nähe der Hecke hatte jemand eine Grube gegraben, aber er interessierte sich nicht weiter dafür.
Die hintere Tür war nur angelehnt. Mrs. Verriner mußte also schon hier sein. Er lehnte sein Rad an die Wand und trat ein. Im Wohnzimmer brannte Licht.
»Schließen Sie die Tür«, hörte er die freundliche Stimme des Mannes, der am Tisch saß.
Mr. Exsome blieb wie versteinert stehen.
»Kennen Sie mich nicht?« fragte der Fremde lächelnd. »Nun, dann werden Sie sich gewiß freuen, wenn ich mich Ihnen als den Hexer vorstelle. Sie gehören zu den wenigen Menschen, die mich ohne Verkleidung sehen.«
»Der Hexer!« stammelte Exsome und wurde aschfahl.
»Laufen Sie nicht fort! Ich kann viel schneller schießen, als Sie sich bewegen können.«
Er hatte einen Browning in der Rechten.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen, Mr. Exsome?«
Der Erpresser sank kraftlos auf einen Stuhl nieder. Er war unfähig, ein Wort hervorzubringen, und starrte Milton verzweifelt an.
»Haben Sie nicht vor einiger Zeit eine Warnung von mir bekommen?« fragte der Hexer liebenswürdig. »Ich bin schon länger auf Ihrer Spur. Sie waren allerdings ziemlich schlau und gerissen, und es ist mir sehr schwergefallen, Sie zu identifizieren. Außerdem war ich in der letzten Zeit mit anderen Dingen stark beschäftigt. Aber vor kurzem logierte ich zufällig hier im Haus. Ich habe nämlich einige Schlupfwinkel, die ich äußerst dringend brauche.
Als ich hörte, daß Mrs. Verriner hier einen Freund treffen wolle, fürchtete ich schon das
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