070 - Neues vom Hexer
daß er in der letzten Zeit in Hythe war.«
Mr. Orsan runzelte die Stirn. Hythe kam ihm so bekannt vor. »Wieso sollte denn das eine Beziehung zu mir haben?«
»Dort wohnt eine junge Dame, die sich Mrs. Tredmayne nennt, aber, soviel ich weiß, eine gewisse Miss Brown ist. Vor einiger Zeit stand sie noch in Ihren Diensten. Ich weiß nicht, ob sie sich über Sie zu beklagen hat, aber ich nehme es an. Sie war ja Privatsekretärin und Haushälterin, und sie ist wirklich eine sehr hübsche junge Dame – «
»Ich weiß Bescheid über Miss Brown«, erwiderte Mr. Orsan ärgerlich. »Gewiß ist sie hübsch und jung, aber sie hatte eben das Unglück – nun, ich möchte nicht weiter mit Ihnen über die Sache sprechen…«
»Das ist auch gar nicht nötig, Mr. Orsan«, erwiderte Bliss in seiner harten, unliebenswürdigen Weise. »Scotland Yard kann sich um solche Dinge nicht kümmern. Aber ich möchte wiederholen, daß der Hexer in derselben Pension wie Miss Brown gewohnt hat und daß Sie deshalb vielleicht recht unliebsame Überraschungen erleben werden. Unter diesen Umständen ist es doppelt unvorsichtig von Ihnen, durch Zeitungsartikel seine Aufmerksamkeit noch mehr auf sich zu lenken.«
Mr. Orsan erhob sich zu seiner vollen Größe und schaute auf Bliss hinunter.
»Ich wundere midi sehr, daß Sie derartige Ansichten äußern. Es ist doch meine Pflicht als Staatsbürger, auf die Krebsschäden der Gesellschaft aufmerksam zu machen und besonders der Polizei den Spiegel vorzuhalten, wenn sie ihre Pflichten vernachlässigt. Glauben Sie vielleicht, ich fürchte mich vor dem Hexer? In meinem nächsten Brief an die Redaktion des >Megaphon< werde ich noch ganz anders über ihn schreiben!«
Bliss zuckte die Schultern, stand auf und nahm seinen Hut. »Ist es Ihnen noch nicht aufgefallen, daß wir Sie eventuell als Lockvogel benützen könnten, um den Hexer zu fangen?« fragte er. »Wir könnten uns unsere Aufgabe ja dadurch nur erleichtern, wenn wir Sie noch zu derartig herausfordernden Artikeln ermutigten.«
Auf diesen schlauen Gedanken war Mr. Orsan natürlich nicht gekommen.
Als Thomas den Besucher zur Tür begleitet hatte, klingelte Orsan seinem Sekretär und beauftragte ihn, alle nur irgendwie erreichbaren Angaben und Informationen über Henry Arthur Milton herbeizuschaffen. Dann setzte er sich hin und schrieb einen leidenschaftlichen Artikel über die Nachlässigkeit der Londoner Polizei.
Er wurde auch abgedruckt, aber im Grunde genommen kümmerte sich niemand darum. Der Redakteur der Zeitung strich ihn zusammen, damit ihm noch Platz blieb, um eine Anzeige über ein bekanntes Hundefutter unterzubringen.
Chefinspektor Bliss von Scotland Yard las den Aufsatz und grinste.
»Der Mann will sich nicht raten lassen, und wen die Götter vernichten wollen, den strafen sie mit Blindheit und lassen ihn Artikel im >Megaphon< schreiben.«
Zwei Tage später erhielt Mr. Orsan einen Brief. Er war mit Maschine geschrieben, in einem nördlichen Bezirk Londons zur Post gegeben und trug keine Adresse.
Sie sind ein sehr interessanter Artikelschreiber. Können Sie denn Ihre Ansicht auch in einer öffentlichen Diskussion vertreten? Ich habe die Absicht, alle Ihre Mieter Weihnachten zu einem Essen einzuladen, und habe zu diesem Zweck bereits die Albert-Hall gemietet. Um neun Uhr abends erscheine ich dort auf dem Podium, um mit Ihnen über die Todesstrafe zu debattieren. Zeigen Sie Chefinspektor Bliss diesen Brief, und antworten Sie mir durch eine Annonce im >Megaphon<.
Henry Arthur Milton
»Blödsinn!« sagte Mr. Orsan, ließ sich aber mit Scotland Yard verbinden.
Er wurde wütend, als Bliss ihn kühl zu einer Besprechung in sein Büro einlud.
»Ich bin den ganzen Nachmittag zu Haus«, entgegnete er.
»Und ich bin den ganzen Nachmittag in meinem Büro. Kommen Sie um drei Uhr, dann habe ich zehn Minuten für Sie übrig.«
Trotz allen Widerstrebens fuhr Mr. Orsan zur festgesetzten Zeit nach Scotland Yard, aber er mußte erst noch eine Viertelstunde im Wartezimmer zubringen, bevor er in das kahle, nüchterne Büro des Chefinspektors geführt wurde. Bliss nahm den Brief und las ihn durch.
»Nun, wie steht’s? Nehmen Sie die Herausforderung an?«
Mr. Orsan starrte ihn mißtrauisch an.
»Glauben Sie denn wirklich, daß der Hexer in die Albert-Hall kommen will, um mit mir zu debattieren? Das ist doch ganz unmöglich!«
»Wenn der Mann schreibt, daß er in die Albert-Hall kommen will, dann tut er es auch. Was mit Ihnen geschieht, das
Weitere Kostenlose Bücher