070 - Neues vom Hexer
Schlimmste. Aber schließlich geht mich das ja nichts an. Ich war aber neugierig, interessierte mich für den Fall und blieb hier, als Sie eines Tages hier mit ihr zusammenkamen. Auf diese Weise erfuhr ich alles. Wäre es eine gewöhnliche Liebesaffäre gewesen, so hätte ich der Sache keinen weiteren Wert beigelegt, aber es handelte sich um einen schweren Fall von Erpressung. Haben Sie den Brief mitgebracht?«
Exsome nickte.
»Legen Sie ihn auf den Tisch. Legen Sie auch das Geld dazu, das Sie von der Bank abgehoben haben. Heute nachmittag habe ich Ihnen telefoniert, und daraufhin haben Sie sich zur Flucht entschlossen. Ich kenne Ihre Beziehungen sehr genau und bin deshalb auch über Ihren Freund Joe orientiert.«
Er wartete einen Augenblick.
»Also schnell – Brief und Geld«, sagte er dann scharf.
Exsome gehorchte.
»Ist das alles, was Sie von mir wollen?« fragte er heiser.
Der Hexer schüttelte den Kopf.
»Nein, ich will noch mehr von Ihnen. Ich habe all Ihre Schandtaten nachgeprüft. Wissen Sie, daß zwei Ihrer Opfer sich das Leben genommen haben? Denken Sie noch an die unglückliche Frau, die sich mit Gas vergiftete, und an das arme Mädchen, das ins Wasser ging? Oder an den alten Geistlichen, der den Verstand verlor, nachdem Sie ihn um sechzehnhundert Pfund beschwindelt hatten? Nur diese wenigen Fälle will ich jetzt in Betracht ziehen.«
Mr. Exsome wußte das alles sehr gut, und zum erstenmal in seinem Leben schlug ihm das Gewissen.
»So, nun wollen wir nach draußen gehen«, sagte der Hexer und erhob sich.
Am nächsten Morgen erhielt Mrs. Verriner zwei Briefe. Einer kam von ihrem Rechtsanwalt, der ihr mitteilte, daß es ihm zu seinem größten Bedauern nicht gelungen sei, die Hypothek zu beschaffen. Der andere kam eingeschrieben und war drei Jahre alt. Sie wäre beinahe ohnmächtig umgesunken, als sie ihn sah. Ein kleiner Zettel lag dabei:
Ich werde Sie nicht wieder belästigen. Alles Geld, das ich von Ihnen erhalten habe, ist wieder bei Ihrer Londoner Bank eingezahlt.
Außer sich vor Freude warf sie den kompromittierenden Brief ins Feuer und atmete auf, von einer schweren Sorge erlöst.
Eine Viertelstunde später rief ihre Bank an und teilte ihr mit, daß das fragliche Geld tatsächlich per Post eingegangen war.
Ihr Mann war nach London gefahren, und als sie am Nachmittag die Trikolore am Flaggenmast des kleinen Hauses sah, ging sie hinüber. Monsieur Vaux war in seinem Garten und rauchte eine lange Zigarre. Als sie näher kam, grüßte er sie höflich.
»Ich bringe Ihnen den Schlüssel zurück«, sagte sie fröhlich.
»Gestern nachmittag waren Sie ja so sehr beschäftigt. Einer meiner Gärtner sagte mir, daß Sie eifrig gegraben hätten!«
Sie sah sich um, aber von der Grube war nichts mehr zu sehen. Dagegen war ein neues, ovales Gartenbeet mitten auf dem Rasen entstanden.
»Ich werde Blumen darauf pflanzen«, meinte Monsieur Vaux.
»Als Einfassung machen sich vielleicht Vergißmeinnicht am schönsten. Sie sollen mich immer an den kleinen Dienst erinnern, den ich Ihnen erweisen konnte, Madame.«
Sie dachte nur an den Schlüssel, den er ihr überlassen hatte, aber er hatte etwas ganz anderes im Sinn, da er niemand anders war als der Hexer selbst.
7
EINE HERAUSFORDERUNG
Mr. Gilbert Orsan schrieb allerhand Artikel, die er an die Zeitungen sandte, aber er wollte kein Geld damit verdienen. Meistens behandelten sie die Verschwendungssucht der Armen und ähnliche Themen.
Über die Not der Armen mußte er allerdings im Bilde sein, denn er besaß viele Mietshäuser, und die Beträge, die ihm die Leute schuldeten, beliefen sich auf Tausende.
Es wurden aber sehr böse Dinge über ihn erzählt. Sowohl als Hausherr wie auch als Chef war er nicht beliebt. Er war der Eigentümer der großen Orsan-Warenhäuser, die in allen Teilen Londons lagen. Aber wenn er etwas von den Beschwerden über sich selbst hörte, tat er sie kurz als böswillige Verleumdung ab und stellte sie als Angriff Linksradikaler hin.
Auch Lila Brown hatte seinen hartherzigen Charakter kennengelernt. Sie war vollständig verzweifelt und machte sich die größten Vorwürfe.
Aber Mr. Orsan hatte sich seiner Meinung nach ihr gegenüber sehr großzügig benommen. Als er sich von ihr trennte, sagte er ihr, daß dergleichen eben vorkomme und daß es keinen Zweck habe, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Früher war sie Mr. Orsans Privatsekretärin und Haushälterin gewesen, aber jetzt hatte sie ihre Stellung einer
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