070 - Neues vom Hexer
Frauen, die eventuell zur Polizei gingen und sich nicht so leicht einschüchtern ließen. Er faßte sie infolgedessen etwas vorsichtiger an.
»Madame, ich habe alles getan, was in meiner Macht steht«, sagte er und erhob sich, als ob er gehen wollte. »Mehr kann ich nicht tun. Der dumme Kerl hat tatsächlich die Absicht, sich an Ihren Gatten zu wenden. Ich habe vergeblich versucht, es ihm auszureden. Diese Leute wollen ja niemals Vernunft annehmen…«
Durch eine Handbewegung lud sie ihn ein, wieder Platz zu nehmen. Und von diesem Augenblick an zahlte sie und erhielt nacheinander die kompromittierenden Briefe zurück, nur nicht den einen, auf den es besonders ankam.
In einem verlassenen Winkel ihres Landgutes in Berkshire stand ein kleines Häuschen, das ein französischer Künstler gemietet hatte. Er verbrachte meistens das Wochenende dort und hatte kein Personal.
Mrs. Verriner unterhielt sich einige Male mit diesem galanten, liebenswürdigen Herrn, und dann stellte er ihr seine Wohnung während seiner Abwesenheit zur Verfügung.
Kurze Zeit nachdem sie an Mr. Exsome zum erstenmal Schweigegelder gezahlt hatte, machte sie von dem Anerbieten des Franzosen Gebrauch.
»Ich habe manchmal Besuch, den ich im Herrenhaus nicht empfangen kann«, erklärte sie ihm, »und ich bin Ihnen sehr dankbar, Monsieur Vaux, wenn ich während Ihrer Abwesenheit mit den Leuten in Ihrem Haus verhandeln kann.«
»Ich freue mich, wenn ich Ihnen zu Diensten sein kann«, entgegnete der Franzose liebenswürdig. »Damit Sie immer wissen, ob ich hier bin, werde ich eine Trikolore an dem Flaggenmast hissen.«
Mit diesen Worten übergab er ihr einen der beiden Schlüssel des Hauses.
Wenn die Flagge nicht wehte, ging sie zu dem kleinen Haus hinüber, schloß die Hintertür auf und empfing dort Mr. Exsome.
An einem herrlichen Frühlingsabend saß Mr. Exsome in seiner Wohnung in Maida Vale und rauchte eine gute Zigarre. Noch zu später Stunde brachte ihm ein Bote einen Brief, dessen Inhalt ihn in großes Erstaunen setzte. Er war nur kurz und trug keine Anrede.
Ich habe entdeckt, daß Sie ein berufsmäßiger Erpresser sind. Solche Leute kann ich nicht leiden. Suchen Sie sich eine andere Beschäftigung. Ich warne Sie. Der Hexer
Mr. Exsome machte ein langes Gesicht, denn gerade zu dieser Zeit schrieben die Zeitungen sehr viel über die letzten Taten dieses Mannes.
Bald darauf trat seine Frau ins Zimmer.
»Lieber Ernie, du siehst ja so blaß aus – ist etwas geschehen? Hast du die Steuerveranlagung bekommen?«
Sie hoffte, ihn freundlich stimmen zu können, aber er lachte nicht.
»Halt den Mund«, sagte er böse.
Er wußte wohl, daß man sich vor dem Hexer in acht nehmen mußte. Und gerade jetzt stand er im Begriff, eine sehr hohe Summe von Mrs. Verriner zu erpressen. In einem unbedachten Augenblick hatte sie ihm verraten, daß sie ein großes Vermögen von ihrem Onkel erben werde. Mr. Exsome hatte sofort Erkundigungen eingezogen und erfahren, daß dieser Herr schon nahezu achtzig Jahre zählte. Die Frau sollte also nicht so billig davonkommen. Und nun kam dieser Hexer dazwischen.
Als er das Haus verließ und in sein Auto stieg, riefen die Zeitungsjungen gerade aus:
»Der Hexer aufgefunden!«
Er kaufte ein Blatt, aber seine Hand zitterte so heftig, daß er kaum die große Überschrift lesen konnte. Als er den Artikel las, erfuhr er nicht viel Neues.
Der Hexer hatte vor einiger Zeit Mr. Graddle als Friseur in eine kleine arabische Stadt verschleppen lassen, und der junge Mann hatte dort drei Monate in dem Harem von Ibn el Masjik zugebracht.
Eines Tages setzte er sich hin und schrieb einen langen Brief über all das Mißgeschick, das ihn betroffen hatte. Er richtete ihn an den Außenminister in London, und durch Bestechung gelang es ihm tatsächlich, einen Kameltreiber zu finden, der das Schreiben beförderte. Auch seine Mutter benachrichtigte er. Aber der Brief an sie ging unterwegs verloren, als sich der Kameltreiber einmal betrank.
Dagegen kam der erste Brief nach langer Zeit in Whitehall an und wurde von dort aus nach Scotland Yard geschickt. Chefinspektor Bliss war wenig gerührt über das Schicksal von Julian Graddle, aber er interessierte sich um so mehr für gewisse Einzelheiten des Falles. Es gelang ihm auch, das Geheimnis aufzuklären, und er erfuhr von der Entführung der Kapitänstochter.
Nun hatte er einige Unterlagen, auf denen er fußen konnte, und diesmal hoffte er bestimmt, den Hexer zu fassen.
Ein Polizeiauto mit
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