070 - Neues vom Hexer
Verbindung.
»Arthur Agnis?« sagte Inspektor Mander. »Das hat ja gerade noch gefehlt! Aber lassen Sie den Mann nur ruhig kommen. Wo wohnt er denn?«
»Danach habe ich ihn nicht gefragt. Heute abend ruft er mich an, um sich Bescheid zu holen. Er ist sehr liebenswürdig und umgänglich.«
Mander hatte alle Hände voll zu tun. Berittene Polizei hielt die ungeheure Menschenmenge im Zaum, die sich vor der Alben-Hall ansammelte.
Hunderte von Detektiven waren aufgeboten, und es wurden nur Leute mit Einladung in den Saal gelassen.
»Vergessen Sie nicht«, warnte Bliss den Inspektor am Nachmittag des vierundzwanzigsten Dezembers, »daß der Hexer keine Perücken und falschen Bärte braucht, um sich zu verkleiden. Wenn er irgendeine Rolle spielt, dann ist er auch der Mann selbst. Seine Stimme, seine Bewegungen, seine Art zu sprechen, alles ist ganz aus einem Guß.«
»Verlassen Sie sich nur auf mich«, erwiderte Mander.
»Das tue ich eben nicht«, entgegnete Bliss und überließ den Mann seinem Schicksal.
Von vier Uhr nachmittags an sammelten sich die Eingeladenen vor der Albert-Hall, und um sieben war das große Lokal bis zum letzten Platz gefüllt. Eine Kapelle sorgte für Unterhaltung. Es wurde sogar bekanntgegeben, daß nach der Debatte getanzt werden sollte.
Um halb neun begab sich Inspektor Mander mit drei Beamten zur Wohnung Mr. Orsans. Er wurde sofort in die Bibliothek geführt, wo ihn der Hausherr empfing und einlud, Platz zu nehmen.
»Gestatten Sie noch einen Augenblick? Ich möchte erst noch diesen Brief an das >Megaphon< beenden.«
Er schrieb fünf Minuten, dann legte er die Feder nieder, löschte das letzte Blatt ab und steckte den Brief in einen Umschlag.
»Dieser Hexer ist am Ende ein gefährlicher Bursche?« meinte er.
»Das ist uns nichts Neues«, entgegnete der Inspektor.
»Machen Sie sich aber deshalb keine Sorgen. Sobald er am Eingang erscheint und seinen Namen nennt, wird er von Detektiven umgeben. Wir könnten ihn ja gleich verhaften, aber wir wollen doch erst einmal abwarten, wie weit er diesen Scherz treiben will.«
»Er wird doch aber nicht etwa auf mich schießen oder mich sonst irgendwie angreifen?«
»Verlassen Sie sich nur auf mich. Unter meinem Schutz sind Sie sicher.«
Das Auto Mr. Orsans wartete vor der Tür, und die fünf Herren fuhren zur Albert-Hall, wo sie durch einen Nebeneingang eingelassen wurden. Als es neun Uhr schlug, trat Mr. Orsan, umgeben von den Polizeibeamten, auf die Tribüne. Die Anwesenden, die im Augenblick all ihre Beschwerden über ihn vergaßen, jubelten ihm sogar zu. Nervös bestieg er das Podium und blieb mit gefalteten Händen stehen.
Tiefes Schweigen herrschte im Saal. Einzelne bevorzugte Reporter, denen es gelungen war, Zutritt zu der Versammlung zu erhalten, sahen sich neugierig um, von welcher Seite wohl der Hexer auftauchen würde.
Plötzlich entstand Unruhe, als ein bärtiger Mann in den Lichtkegel des Scheinwerfers trat. Mander hatte den Auftrag gegeben, die Rednertribüne hell zu erleuchten.
»Da der Hexer nicht gekommen ist«, begann er mit durchdringender Stimme, »möchte ich an seiner Stelle reden und mit Mr. Orsan über die Todesstrafe debattieren. Ich habe einige Notizen über dieses Thema zusammengestellt – «
Er faßte in die Tasche, aber noch bevor er seinen Zettel herausziehen konnte, war er von einer Schar von Detektiven umgeben, die ihn abführten.
»Die Sache wäre in Ordnung«, sagte Mander lächelnd.
»Mr. Orsan, es hat keinen Zweck, daß Sie noch länger bleiben.«
Vier Beamte brachten ihn wieder sicher aus der Halle, und der Inspektor eilte zu dem Verhafteten, um ihn zu verhören.
Mr. Agnis war außer sich vor Wut.
»Wenn Sie es noch einmal wagen, meinen Bart anzurühren, schlage ich Ihnen den Schädel ein!«
»Das ist wirklich ein echter Bart!« sagte ein Detektiv zu Mander. »Und der Herr hat auch genügend Personalausweise bei sich – er ist wirklich Mr. Agnis!«
Der Inspektor prüfte die Papiere und mußte zugeben, daß ein äußerst peinlicher Irrtum passiert war.
»Warum sind Sie denn überhaupt hierhergekommen?« fragte Mander.
»Weil ich dazu aufgefordert wurde. Ich bin extra von Manchester herübergefahren. Ein Herr hat mir fünfundzwanzig Pfund gegeben und mich beauftragt, mit Mr. Orsan zu debattieren.«
Der Inspektor sah ihn entsetzt an.
»Nun, auf jeden Fall ist dieser Herr nicht der Hexer. Ich sagte ja sofort, daß er nicht kommen werde, und tatsächlich ist er auch nicht erschienen. Bliss hat
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