070 - Neues vom Hexer
weiß ich noch nicht – aber auf jeden Fall wird es Ihnen nicht gut gehen. Setzen Sie nur ruhig die Anzeige in das >Megaphon<. Ich will mir alle Mühe geben, Sie vor Schaden zu bewahren.«
Mr. Orsan war nicht ängstlich, er war nur sehr erstaunt über diese Auffassung.
»Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß Sie diesen unsinnigen Brief ernst nehmen?«
»Gewiß, und ich gebe Ihnen nur den Rat, dasselbe zu tun.«
In den nächsten Tagen wurde Mr. Orsans Name überall genannt, und alle Zeitungen druckten einen Brief von ihm ab, in dem er den Empfang des Schreibens vom Hexer bestätigte.
Inzwischen stellte Scotland Yard fest, daß die Albert-Hall in South Kensington tatsächlich durch einen Agenten für den ersten Weihnachtsfeiertag gemietet worden war.
Die Summe war im voraus bezahlt worden, und eine große Firma hatte den Auftrag bekommen, für die Bewirtung der dreitausend Geladenen zu sorgen. Auch diese Firma hatte alle Auslagen vorher vergütet erhalten.
Von einer Seite wurde darauf hingearbeitet, daß die Besitzer der Albert-Hall im öffentlichen Interesse den Vertrag aufheben sollten, aber Scotland Yard war anderer Ansicht. Inspektor Mander machte sowohl bei der Direktion der Albert-Hall als auch bei der Stadtküche Besuch und erklärte, daß die Polizei großen Wert auf Ausführung der Verträge lege.
Inspektor Mander hatte auf seinen Wunsch hin den Auftrag erhalten, alle nötigen Vorbereitungen zu treffen.
»Ich freue mich, daß ich Gelegenheit haben werde, meinen Mißerfolg im Fall Lumière wieder gutzumachen. Diesmal lasse ich mich nicht hinters Licht führen und täuschen.«
Bliss wollte zuerst Manders Bitte abschlagen, aber dessen Gesuch wurde höheren Orts befürwortet, da der Inspektor manche, einflußreiche Freunde hatte.
Schließlich gab Bliss nach.
»Das ist allerdings eine Gelegenheit. Aber ich warne Sie! Es ist meiner Meinung nach die letzte Chance, die Sie haben. Ich übertrage Ihnen die Sache nur sehr ungern, denn ich bin davon überzeugt, daß der Beamte, der es bei dieser Weihnachtsfeier mit dem Hexer zu tun hat, den kürzeren ziehen wird.«
Mander lächelte.
»Wenn der Hexer sein Wort hält, dann muß er tatsächlich ein Zauberer sein.«
»Er wird sein Wort schon halten. Also tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich wünsche Ihnen viel Glück!«
Alle Mieter Mr. Orsans hatten Einladungen erhalten. Mr. Orsan wurde allgemein bekannt, man zeigte sich ihn und machte sich gegenseitig auf ihn aufmerksam, wenn er in der Öffentlichkeit erschien. Er war der Mann, der öffentlich mit dem Hexer debattieren wollte.
»Ich gebe Ihnen den guten Rat, vier Ärzte zu engagieren, die sich in der Nähe der Rednertribüne aufhalten. Außerdem einen Krankenwagen, in dem Sie Orsan zum Krankenhaus scharfen können.«
»Warum denn ausgerechnet vier Ärzte?« fragte Mander seinen Vorgesetzten.
»Zwei für Orsan und zwei für Sie«, erwiderte Bliss eine Spur ironisch.
Mr. Mander lächelte.
»Ich glaube nicht, daß der Hexer überhaupt auf der Bildfläche erscheint.«
»Sie sind und bleiben ein Narr«, entgegnete Bliss verstimmt.
Am Heiligen Abend erhielt Mr. Orsan einen zweiten Brief.
Halten Sie sich ja an Ihr Versprechen! Wenn Sie nicht in der Albert-Hall erscheinen, warte ich nur zehn Minuten auf dem Podium auf Sie – länger nicht.
Aber Mr. Orsan kümmerte sich in diesem Augenblick wenig um den Hexer, da ein neuer Kämpfer auf dem Feld erschienen war, der sich nicht nur brieflich mit ihm in Verbindung gesetzt, sondern ihn auch persönlich aufgesucht hatte.
Mr. Agnis war ein dickköpfiger, bärtiger Mann und ein fanatischer Gegner der Todesstrafe. Er hatte, wie er Mr. Orsan erklärte, überall gegen die Todesstrafe gekämpft, soweit die englische Sprache gesprochen wurde, und er bat Mr. Orsan, an Stelle des Hexers reden zu dürfen, wenn sich dieser an dem Abend nicht melden sollte. Er schien ein ganz achtbarer Mann zu sein, war gut gekleidet und behandelte Mr. Orsan mit der größten Zuvorkommenheit. Außerdem fuhr er in seinem eigenen Auto vor.
»Der Hexer wird unter keinen Umständen zur Versammlung kommen. Das Ganze ist doch nur ein übler Scherz. Aber warum sollten wir die Gelegenheit zu einer öffentlichen Debatte nicht ausnützen?«
Der Vorschlag kam Mr. Orsan nicht ungelegen, besonders da er seine Ansprache, und was er sonst sagen wollte, bereits schriftlich ausgearbeitet hatte, aber er war ein vorsichtiger Mann und setzte sich erst telefonisch mit Scotland Yard in
Weitere Kostenlose Bücher