070 - Neues vom Hexer
Wäscherei. Während sie ihre Strafe absaß, beschäftigten sich ihre Gedanken mit dem neuen Klub, aber sie grübelte auch darüber nach, wie sie sich am Hexer rächen könne.
Es war ein unglückliches Zusammentreffen, daß ihre Tochter Annie sich zur selben Zeit viel Mühe gab, den Ruf ihrer Mutter wieder herzustellen. Sie kannte die Macht der Presse, und als Mrs. Gardling einen Monat in Holloway war, begann Annie, für den Furnace Club Propaganda zu machen. Sie schrieb zwar keinen blendenden Stil, aber sie verstand, fesselnd zu plaudern. Der Redakteur las den Artikel durch, den sie dem >Post Herald< eingesandt hatte, und sein Interesse erwachte plötzlich, als er zu einem bestimmten Absatz kam. Er klingelte und ließ einen Reporter rufen.
»Besuchen Sie die Dame und sehen Sie zu, was an der Geschichte dran ist.«
Er nahm einen Blaustift und kreuzte eine Stelle an.
In der nächsten Sonntagsausgabe der Zeitung erschien ein interessanter Artikel. >Die Rache des Hexers< lautete die Oberschrift, und es wurde darin beschrieben, was Mrs. Gardling in der Nacht erlebt hatte, als sie ihre Lilien in der venezianischen Vase fotografierte.
… Meine Mutter hat mir von dem Gesicht des Mannes erzählt, das deutlich auf der Platte zu sehen ist. Aber da sie immer rücksichtsvoll ist, hat sie das Bild der Polizei nicht übergeben. Ich bin fest davon überzeugt, daß der Hexer all diese gemeinen Geschichten und Verleumdungen über sie erfunden hat. Sie ist vollständig unschuldig und hat nichts von dem getan, was man ihr vor Gericht vorgeworfen hat .
In dem Artikel stand auch noch, daß das interessante Negativ an einem sicheren Ort verwahrt sei und daß man noch mehr von der Sache hören würde.
Merkwürdigerweise schenkte Bliss diesen Angaben wenig Beachtung. Ihn interessierte nur, daß in nächster Zeit der Furnace Club unter der Direktion der Tochter von Mrs. Gardling eröffnet werden sollte.
Annie kam es plötzlich zum Bewußtsein, daß sie zuviel ausgeplaudert hatte, und sie lehnte alle weiteren Interviews ab. Was würde ihre Mutter zu allem sagen, wenn sie aus dem Gefängnis kam? Mit ihrem Mann konnte sie nicht darüber sprechen, denn Mr. Leppold hatte eine Antipathie gegen seine Schwiegermutter und vermied es, sie überhaupt zu erwähnen.
Mrs. Gardling war sehr heftig gegen ihn gewesen, denn er war zuerst als Graf Giolini in dem Klub erschienen, obwohl er durchaus nicht das war, was er vorgab. Diese Tatsache wurde aber erst nach der Hochzeit entdeckt.
Aber sonst hatte sich Annie über ihren Mann nicht zu beklagen. Er war sehr wohlhabend, unterhielt eine schöne Wohnung in der Jermyn Street, lebte auf großem Fuß, schenkte ihr Juwelen und fuhr jedes Jahr einmal mit ihr nach Monte Carlo, Deauville oder anderen mondänen Badeorten.
Sie hatte sich schon oft den Kopf darüber zerbrochen, welches Geschäft er wohl betreiben mochte. Er hatte ihr zwar gesagt, daß er in der City zu tun habe, aber er hatte kein Büro und brachte seine Zeit hauptsächlich im Westen Londons zu. Auf jeden Fall machte ihm sein Beruf wenig Arbeit.
Annie sprach einmal mit ihm über den Hexer, aber er interessierte sich nicht dafür. Wenn er abends zu Haus war, las er gewöhnlich Zeitung. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er den Nachrichten aus der City. Im allgemeinen war er ein sparsamer Mann, der sein Geld gut angelegt hatte. Er hoffte, daß er eines Tages genug haben würde, um nach Paris zu ziehen, denn diese Stadt liebte er sehr.
Annie las die Zeitungen auch eifrig, aber ihre Neugierde war vollkommen befriedigt, wenn sie sich über die Gerichtsverhandlungen orientiert hatte.
Eines Abends legte sie die Zeitung in den Schoß.
»Es ist doch entsetzlich, Alfred«, meinte sie, »daß so viele Einbrüche vorkommen. Eine Bande hat doch am Sonntag wieder für vierzigtausend Pfund Brillanten aus einem Geschäft in Hatton Garden gestohlen. Die Diebe sind entkommen, und man hat nicht die geringste Spur von ihnen entdeckt. Wenn ich in Scotland Yard wäre – «
»Du bist aber nicht in Scotland Yard«, sagte Mr. Leppold, »und es ist auch besser, du redest nicht weiter über die Sache.«
In Scotland Yard nahm man diese Einbrüche verhältnismäßig gelassen hin. Die Polizeibeamten waren auch nur Menschen, und wenn Juweliere nicht einmal die einfachsten Sicherheitsmaßnahmen trafen, keinen Wachmann beschäftigten und ihre Schätze in Safes aufhoben, die nicht diebessicher waren, mußten sie eben den Schaden tragen. Die Polizei tat alles, was in
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