070 - Neues vom Hexer
hängen. Er hat einem meiner Freunde einen bösen Streich gespielt.« Genaueres erzählte er jedoch nicht darüber.
Nach dem Essen ging er in sein Arbeitszimmer, schloß die Tür zu, nahm ein kleines Lederetui mit Werkzeugen aus dem Safe und steckte es in die Tasche.
Um halb elf betrat er eine Bar in der Nähe der Shaftesbury Avenue, ließ den Blick über die Gäste schweifen und bemerkte seine beiden Freunde, die am Abend von Paris gekommen waren. Zehn Minuten später ging er wieder auf die Straße, und sie folgten ihm. An einer geeigneten Stelle blieb er stehen und steckte sich eine Zigarre an, so daß sie ihn einholen konnten.
»Es ist wirklich eine glänzende Sache«, sagte er. »In der Stahlkammer der Bank finden wir genug – ungefähr siebentausend Pfund in englischen Banknoten und achttausend Pfund in ausländischem Geld.«
»Wohnt jemand in dem Haus?« fragte der eine.
»Ja. Der zweite Geschäftsführer wohnt über den Bankräumen. Aber er ist aufs Land gereist, um seine kranke Mutter zu besuchen.«
Wie Mr. Leppold all diese Dinge herausgebracht hatte, blieb sein Geheimnis.
Er ging eine Seitenstraße entlang und klopfte an den Nebeneingang der Bank. Es wurde sofort geöffnet, und die drei traten ein. Die Tür wurde dann von innen verschlossen.
»Wie wäre es, wenn wir Sie jetzt fesselten?« fragte Leppold den Wächter. Aber der bärtige Mann hatte im Augenblick dazu noch keine Lust.
»Das können Sie machen, bevor Sie gehen. Ich möchte gern zuschauen, wie Sie das Ding drehen.«
Leppold nickte. Er brauchte keinen Führer. Gewandt öffnete er das Stahlgitter, das den Zugang zu den Bankgewölben verschloß, und ging die Steintreppe hinunter, gefolgt von den drei anderen. Den einen Schlüssel zum Gewölbe hatte er sich schon vorher verschafft.
Am Ende des kurzen Ganges befand sich ein zweites Stahlgitter, und man sah, daß daran gearbeitet wurde. Große, längliche Vertiefungen waren zu beiden Seiten in die Betonwände geschlagen.
»Sie bauen gerade eine richtige, schwere Stahltür ein. Es war die höchste Zeit, daß wir gekommen sind.«
Der Wachmann staunte über die Geschicklichkeit, mit der die drei zu Werke gingen. In einer Stunde hatten sie die Arbeit erledigt, und das schwere Gitter öffnete sich. In dem großen Raum brannte ein Licht an der Decke, so daß sie genügend sehen konnten. In drei Reihen übereinander waren die Tresorkästen angeordnet, und Mr. Leppold mußte unwillkürlich lachen, als er sich umschaute.
»Einen Augenblick.« Er ging zu einer Seite des Raumes hinüber und klopfte an eine Stahlkassette. »Die gehört meiner Schwiegermutter«, erklärte er ironisch.
Die Buchstaben F. A. G. waren darauf gemalt, denn Mrs. Gardling hieß mit Vornamen Freda Ann.
»Meine Frau will morgen etwas daraus holen, was dem Hexer schwer zu schaffen machen wird.«
»Aber nun an die Arbeit«, sagte einer seiner Begleiter. »Wir müssen uns beeilen, daß wir das Geld zusammenpacken.«
Die drei Einbrecher trugen Mäntel und hatten ihre Taschen vollgepackt. Man mußte es ihnen lassen, daß sie ihr Handwerk verstanden. Das Geld verschwand ebenso schnell, wie es aus den einzelnen Kassetten zum Vorschein kam.
»So, nun wollen wir noch den Wachmann fesseln«, meinte Leppold und nahm einen Strick aus der Tasche.
Als sie sich umschauten, war der bärtige Mann nicht mehr in dem Raum. Sie sahen ihn auf der anderen Seite des großen Gittertors. Ein offener, schwarzer Kasten stand neben ihm, und er hielt gerade ein dunkles Negativ gegen das Licht.
»Wer hat die Gittertür verschlossen?« fragte Leppold.
Der Wachmann drehte sich um.
»Ich. Sie haben den Schlüssel im Schloß stecken lassen, und das war sehr unvorsichtig von Ihnen.«
»Schließen Sie schnell auf«, erwiderte Leppold. Er hatte die Tasche mit Werkzeugen in der Hand, mit der sie die Tür zu dem Gewölbe geöffnet hatten.
Plötzlich streckte der Wachmann die Hand durch das Gitter, und die Mündung seiner Pistole richtete sich gegen Mr. Leppolds Brust.
»Geben Sie sofort die Werkzeuge her!«
Mr. Leppold war so bestürzt, daß er widerspruchslos gehorchte.
»Und wenn einer von Ihnen ein Schießeisen ziehen sollte«, sagte der Wachmann ruhig, »ist er tot, bevor er die Hand aus der Tasche nehmen kann!«
»Zum Teufel, wer sind Sie denn?« fragte Leppold verstört.
»Henry Arthur Milton, bekannt als der Hexer. Der wirkliche Wachmann liegt gefesselt oben in dem Büro des Geschäftsführers. Sie können der Polizei ja sagen, daß Sie ihn
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