070 - Neues vom Hexer
ihrer Macht stand, um die verschiedenen Verbrechen aufzuklären, aber Scotland Yard konnte schließlich nicht hellsehen.
»Es kann Lewing oder Martin oder Crooford gewesen sein«, überlegte Bliss. »Vielleicht war es auch diese Pariser Bande, die immer zu solchen Unternehmungen nach London herüberkommt.«
Die Banden, die von fremden Ländern aus arbeiten, sind in der Regel schwer festzustellen. Paris liegt wenige Stunden von London entfernt, und wenn sich ein Mitglied einer solchen Organisation in London aufhielt, um alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen, einen genauen Zeitplan machte und die nötigen Apparate und Werkzeuge beschaffte, konnten die anderen am Sonnabendabend ankommen und am Montagmorgen mit ihrer Beute wieder verschwunden sein.
In einem solchen Fall handelt es sich darum, den Londoner Agenten der Bande zu fassen.
Mr. Leppold gab sich nicht die Mühe, das Interview zu lesen, das seine Frau dem Reporter des >Post Herald< gewährt hatte.
»Ich gebe dir nur den guten Rat, mein Liebling, dich aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. Es liegt doch gar kein Grund vor, daß du dich im Rampenlicht zeigen mußt.«
»Ich habe es doch nur im Interesse meiner lieben armen Mutter getan«, erwiderte sie erregt. »Und ich bin auch fest entschlossen, den Kasten mit Negativen aus der Northern and Southern Bank zu holen.«
Er war plötzlich aufs äußerste interessiert.
»Hat deine Mutter ein Depot bei der Northern and Southern Bank?«
»Schon seit Jahren hat sie dort ihr Geld, ebenso ein Tresorfach, in dem sie all ihre Schriftstücke aufhebt – warum lachst du eigentlich?«
»Ich habe nicht gelacht«, erwiderte er und nahm die Zeitung wieder auf.
Nachdem sich Annie zur Ruhe gelegt hatte, ging er in sein Arbeitszimmer, ließ sich mit Paris verbinden und sprach sechs Minuten lang in geheimnisvoller Weise. Er telefonierte häufig mit Paris, und seine Andeutungen waren immer rätselhaft.
Am nächsten Tag ging er nach Südlondon und trank Tee bei einem pensionierten Soldaten, der Witwer war und eine kleine Zweizimmerwohnung hatte.
Er war verfeindet mit der ganzen Gesellschaft und haßte vor allem den Vorstand des Jockey-Klubs.
»Halten Sie sich einen Monat ruhig, dann machen Sie, daß Sie nach Südamerika oder nach Südafrika kommen, oder wohin Sie sonst gehen wollen. Sie können sich die fünftausend Pfund verdienen, und das ist mehr, als Sie in fünfzig Jahren zusammensparen können .«
»Aber dann verliere ich meine Pension«, protestierte der andere. »Und meinen guten Namen.«
»Den verlieren Sie auf alle Fälle«, entgegnete Mr. Leppold kühl. »Sobald Ihr Chef erfährt, daß Sie Buchmachern Geld schuldig sind, ist es mit Ihrem Renommee aus. Ich gebe Ihnen zunächst einmal fünfhundert Pfund als Anzahlung.« Er zählte die Banknoten ab und legte sie auf den Tisch. »Ich vertraue Ihnen, und Sie müssen mir vertrauen. Ich klopfe an die Seitentür – so.« Er klopfte das Morsezeichen für »Eins« auf den Tisch. »Sie haben weiter nichts zu tun, als uns in das Haus zu lassen.«
Der Mann schaute ihn ruhig an.
»Wäre es nicht besser, wenn Sie mich dann auch fesselten und knebelten?«
»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, erwiderte Mr. Leppold lächelnd. »Wir werden Ihnen schon ein Alibi verschaffen, das man nicht mit Dynamit in die Luft sprengen kann.«
Der Mann nahm das Geld, und nachdem Mr. Leppold gegangen war, versteckte er es an einem sicheren Platz. Er hielt den Plan für sehr einfach und glaubte, daß er unmöglich entdeckt werden könne. Aber die Gefängnisse von England und Amerika sind voll von Leuten, die sich ähnlichen Illusionen hingegeben haben.
Als Mr. Leppold an diesem Abend nach Hause kam, fand er seine Frau in guter Stimmung.
»Ich habe einen Brief von meiner Mutter bekommen. Sie hat vom Hexer geschrieben.«
Merkwürdigerweise sagte er ihr diesmal nicht, daß sie schweigen sollte.
»Was hat sie denn geschrieben?«
»Es handelt sich um die Fotografie, die sie von ihm gemacht hat, und ich habe eben mit Scotland Yard telefoniert.«
Mr. Leppold blinzelte, sagte aber nichts.
»Ich sprach mit einem gewissen Mr. Bliss. Er sagte, es sei sehr wichtig. Morgen hole ich die Fotografie aus der Bank und bringe sie ihm. Die Leute scheinen überhaupt kein Bild von dem Mann zu besitzen, und es ist möglich, daß ich die tausend Pfund Belohnung bekomme.«
»Nun, da wünsche ich dir viel Glück«, sagte Mr. Leppold überzeugt. »Der Kerl sollte schon längst am Galgen
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