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0700 - Aphilie

Titel: 0700 - Aphilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Volke kennenzulernen.
    Gegen einundzwanzig Uhr Ortszeit betrat Vater Ironside das Vergnügungszentrum „Shangri La", ein weites Gelände, in dem zum Teil unter Dach, zum Teil unter freiem Himmel alles geboten wurde, was der moderne Mensch an Zerstreuung brauchte. Da gab es Spieltische, an denen um Münzmarken gewürfelt wurde, ebenso wie viskose Liegen, auf denen die Menschen sich physisch entspannen und währenddessen ein psychophysisch injiziertes Unterhaltungsprogramm genießen konnten, Felder für sportliche Betätigung ebenso wie die uralten Hufeisenformen der Bars, an denen Männer saßen, ausschließlich mit den Beschäftigungen des Trinkens und des Redens befaßt.
    An einem dieser Hufeisen fand Vater Ironside den Mann, den er suchte.
    Er war hochgewachsen, und seine Kleidung wirkte schäbig.
    Er machte den Eindruck, als sei er wenigstens neunzig Jahre alt, aber seine stahlgrauen Augen leuchteten mitunter in jugendlichem Feuer. Ironside suchte sich einen Platz in seiner Nähe und bestellte ein Getränk. Im Laufe der nächsten halben Stunde gelang es ihm, bis auf den Sitz unmittelbar neben dem Fremden vorzudringen - unauffällig, wie er bislang geglaubt hatte. Plötzlich wandte sich der Grauäugige jedoch um und musterte ihn scharf.
    „Sie haben es auf mich abgesehen, nicht wahr?" fragte er.
    Seine Stimme klang nicht unfreundlich, eher neugierig. Vater Ironside war einen Augenblick lang verblüfft und mußte wohl ein entsprechendes Gesicht gemacht haben, denn der Fremde lachte hell auf.
    „Lassen Sie sich's nicht verdrießen, Alter!" rief er gut gelaunt und gab Vater Ironside einen freundschaftlichen Hieb auf die Schulter. „Ich hab' eben meine Augen offen! Also, was kann ich für Sie tun?"
    Ironside hatte sich von Anfang an für die direkte Vorgehensweise entschlossen.
    „Sie sind der Sohn eines Mannes, der sich in ernsthafter Gefahr befindet", sagte er so leise, daß nur der Fremde ihn verstehen konnte.
    Die grauen Augen schlossen sich zu schmalen Schlitzen. Der Fremde war plötzlich todernst.
    „Ich weiß nicht, wovon Sie reden", antwortete er kalt.
    „Ich stehe in der Verantwortung meines Glaubens", erwiderte Ironside unerschüttert, „und muß Sie darauf aufmerksam machen, daß auch die Lüge eine Sünde ist. Ich weiß, wer Sie sind. Ich habe heute morgen versucht, zu Ihrem Vater durchzudringen, bin jedoch gescheitert. Meine Informationen sind lebenswichtig. Bitte geben Sie mir Gelegenheit, sie vorzutragen.
    Wenn möglich, nicht hier..."
    Der Fremde, hinter dessen Maske sich Roi Danton verbarg, dachte nur einen Augenblick lang nach. Dann nickte er.
    „Kommen Sie mit!" forderte er Ironside auf.
    Ironside sah sich um. In kurzen Abständen nach Danton erhoben sich in der Runde weitere drei Männer und schritten ebenfalls dem Ausgang zu. Ganz so schutzlos, wie es den Anschein hatte, gab sich der Sohn des Großadministrators den Gefahren der Öffentlichkeit doch nicht preis.
     
    *
     
    Es war kein anspruchsvolles Quartier, die kleine Wohnung eines mittelmäßig verdienenden Junggesellen etwa, die sich an diesem Abend in das Hauptquartier der Konterrevolutionäre verwandelte. Dantons Begleiter hatten draußen haltgemacht, um jegliche Gefahr von ihrem Schutzbefohlenen fernzuhalten. Vater Ironside hatte inzwischen begonnen, von der seltsamen Beichte zu berichten, die er in der vergangenen Nacht entgegengenommen hatte.
    „Der Mann hieß Pranther, Silas Pranther", erinnerte er sich. „Er arbeitet irgendwo bei einem privaten Unternehmen als Systemspezialist. Er muß wohl schon immer ein Unzufriedener gewesen sein. Nach der ersten Kontaktaufnahme wurde er rasch ein eifriges Mitglied der revolutionären Strömung..."
    „Söhne der Vernunft", fiel ihm Danton ins Wort, „nennen sie sich, nicht wahr?"
    „Söhne der reinen Vernunft", verbesserte ihn Ironside. „Die Vernunft ist überhaupt etwas, worauf sie bei jeder Gelegenheit pochen. Emotionen, sagt Pranther, gibt es bei ihnen nicht. Sie sind sehr straff organisiert, und von einem gewissen Niveau an aufwärts kennen die Mitglieder einander nicht mehr. Da sie alle Söhne desselben Götzen sind, den sie Vernunft nennen, betrachten sie sich untereinander als Brüder, und in der Führungsspitze, der Silas Pranther dank seines unermüdlichen Eifers angehört, sind die Rangstufen durch Nummern gekennzeichnet, die an die Anrede „Bruder" angehängt sind.
    Pranther zum Beispiel ist der Bruder-fünfzehn, und das Oberhaupt der Vereinigung ist der Bruder-eins.

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