0700 - Assungas Zaubermantel
Szenerie.
Die beiden ungewöhnlichen Morde hatten die Bewohner nicht nur aufgeschreckt, sie hatten auch dafür gesorgt, daß Polizei in den Ort gekommen war.
In der Nähe des Bahnhofs sah er die Wagen der Polizisten. Er zählte vier, sie alle waren leer, denn die Beamten hatten sich im Ort verteilt.
Wahrscheinlich führten sie Verhöre durch. Viel würden ihnen die Bewohner nicht sagen können, aber darauf kam es Marek auch nicht an. Er wollte seinem Instinkt folgen und den Polizisten nicht unbedingt in die Quere laufen.
Wohin?
Gaststätten waren oft Orte, wo man sich traf, viel redete, auch viel spekulierte, wo einiges zusammengetragen wurde und jeder seine eigene Meinung sagen konnte.
Leider war der Pfähler fremd in Plakac. Er kannte keinen Menschen, aber das wollte er ändern.
Obwohl sich Marek im Prinzip als einen Einzelgänger bezeichnete, konnte er, wenn es sein mußte, sehr kontaktfreudig sein und auf die Menschen zugehen.
Diese Fähigkeit mußte er hier wieder anwenden, und er ging auf das Bahnhofsgebäude zu, in dessen Schatten die Dorfköter und die Katzen Siesta hielten.
Unter seinen Füßen wallte der Staub bei jedem Tritt auf. Er betrat das Gebäude und hatte eigentlich damit gerechnet, Polizisten zu sehen, statt dessen hörte er die Stimmen aus einem Raum klingen, in dem eine Kneipe untergebracht war.
Die Tür war nicht verschlossen. Marek betrat den Raum, sah die Wolken aus Tabaksqualm und hörte auch die Stimmen der Gäste, die ihn wie Rauschen erreichten.
Es gab eine kleine Theke, an der die Männer standen und mit der Wirtin redeten.
Marek hielt sich im Hintergrund auf, mischte sich nicht ein, sondern hörte zunächst nur zu.
Es gab nur ein Thema – die beiden Morde!
Jeder wollte etwas sagen, im Prinzip aber wußte niemand etwas Genaues. Die Stimmen schwirrten hin und her, die Männer hatten ihre Meinung, und auch die Wirtin gab ihren Senf dazu. Die Frau, die als angebliche Zeugin von den Polizisten verhört worden war, und sie wußte auch, was sie gesehen hatte, was sie noch einmal wiederholte, während sie das Bier in die großen Gläser schäumen ließ.
Sie entdeckte Marek. »Auch ein Bier?«
»Gern.«
Er bekam es wenig später. Sein rechter Nebenmann drehte sich um. Er roch nach Mörtel und Schweiß und trug die Kleidung eines Bauarbeiters.
Marek trank, nickte und lächelte.
»Fremd hier?« fragte der bärtige Bauarbeiter.
»Ja. Ich komme aus Petrila und will hier Pause machen. Eigentlich wollte ich nach Jugoslawien fahren, aber da traut sich kaum noch jemand hin. Da wohnt ein Freund von mir.«
»Die kriegen noch Ärger, die Jugos.«
»Kann ich mir denken.« Marek trank wieder. »Aber Ärger habt ihr doch auch hier, oder?«
»Wieso?«
Der Pfähler lächelte. »Ich habe zufällig zugehört. Hat es hier tatsächlich zwei Leichen gegeben?«
»Nicht hier, im Zug.«
»Fahrgäste?«
»Nein, zwei Männer von der Miliz.« Der Mann senkte seine Stimme. »Daß keiner von uns Mitleid mit denen hat, ist klar. Die haben uns genug terrorisiert, aber ich will dir was sagen. Bei den Morden ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Das sagen alle hier.«
»Wieso denn nicht?«
»Die Toten hatten verbrannte Gesichter. Richtig verkohlt.«
»Hast du sie gesehen?«
»Nein, aber das erzählt man sich. Und der Täter muß im Zug gewesen sein, denn jemand hat gesehen, wie eine Gestalt kurz vor dem Bahnhof aus dem fahrenden Zug gesprungen ist.«
»Und die wird nun gesucht?«
»Ja. Es wird auch noch mehr Polizei, und Miliz hier erscheinen. Dann durchkämmen sie die Wälder, um den Mörder zu stellen. Das schaffen die auch, glaube ich.«
Marek trank einen Schluck Bier. »Wieso den Mörder?« murmelte er. »Kann es nicht auch eine Mörderin gewesen sein?«
Sein Nachbar starrte ihn an. »Wie kommst du denn auf so was?«
»Ach – nur so.«
»Unsinn, doch keine Frau!«
Marek nickte. »Wahrscheinlich hast du recht. Wenn alles stimmt, so frage ich mich, was den Täter dazu getrieben hat, die beiden ausgerechnet hier in dieser einsamen Gegend zu töten? Sie ist so gut wie menschenleer. Gut, da sind die Wälder, aber wenn sie durchsucht werden und man Bluthunde einsetzt, verringern sich die Chancen doch.«
»Das wird man auch!«
»Dann hat der Täter keine Chance.«
»Glaube ich auch.«
Marek strich über seine Lippen. Bevor sich sein Nachbar wieder einem anderen Gast zuwenden konnte, nahm er das Thema auf und bestellte noch zwei Bier.
»O danke.«
»Keine Ursache. Ich bin ja froh,
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