0700 - Para-Hölle Spiegelwelt
Vielleicht gibt der Herr mir ein Zeichen, was ich tun kann. Und was ihr tun könnt, um diesen Fluch von mir zu nehmen.«
Charles tat ihm den Gefallen.
»Ich sorge dafür, dass spätestens jede Stunde einer von uns oder sonst jemand aus dem Dorf her kommt und sich um Sie kümmert, Pater«, versprach er. »Bei Tag und bei Nacht!«
Draußen, als die Haustür hinter ihnen zugefallen war, sah er den Wirt düster an.
»Wir können nicht viel mehr tun, als Zamorra irgendwie dazu zu bringen, dass er den Zauber zurücknimmt«, sagte er leise. »Ralphs Willenskraft und sein Vertrauen in Gott in allen Ehren, aber dieser Gott hat auch nicht verhindert, dass im Schatten der Kirche dieser böse Zauber wirken konnte!«
»Sollen wir vor Zamorra im Staub kriechen und ihm die Füße küssen, oder wie stellst du dir das vor?«
»Ich weiß nicht,, wie wir ihn dazu bringen können«, gestand der Schmied etwas hilflos. »Aber wir müssen es doch irgendwie versuchen!«
***
Zamorra erwachte aus seiner Bewusstlosigkeit. Sein Hinterkopf schmerzte, und als er vorsichtig danach tastete, spürte er eine klebrige Substanz. Blut, das bereits zu trocknen begann. Er erinnerte sich, dass er mit dem Kopf gegen etwas geprallt war.
An die Männer, die plötzlich ins Zimmer gestürmt waren - und an Pascal Lafitte, der sich mehr als merkwürdig benahm. An die Veränderungen im Zimmer…
Das hier ist nicht Château Montagne!, durchfuhr es ihn. Wir sind in einer Parallelwelt gelandet!
Nur so konnte es sein.
Mühsam erhob er sich. Sekundenlang wollte ihm wieder schwarz vor Augen werden, aber er verlor das Bewusstsein nicht wieder. Dafür tobte sich der Schmerz umso stärker aus, und das Schwindelgefühl wollte ihn gleich wieder stürzen lassen. Es gelang ihm, sich an die Wand zu lehnen und sich umzusehen.
Er befand sich in einem völlig kahlen Raum. Vier rauh verputzte Wände ohne Tapete, einfacher Holzfußboden, eine Decke, eine Tür, ein Fenster - von außen vergittert. Es fiel nur noch wenig Tageslicht herein, gerade genug, um Zamorra erkennen zu lassen, wo er sich befand. Eine Lampe gab es im Zimmer nicht.
Er arbeitete sich bis zum Fenster vor und stellte dabei fest, dass man ihn bis auf die Haut ausgezogen hatte. Nicht einmal die Uhr hatte man ihm gelassen, und auch nicht das silberne Kettchen, an dem er sein Amulett zu tragen pflegte, wie es auch Nicole tat, wenn sie es bei sich hatte.
»Verdammte Hunde«, murmelte er zornig.
Er fror zwar nicht - innerhalb der dicken Mauern des Châteaus wurde es nie wirklich richtig kalt, und im Sommer auch nie wirklich richtig heiß, aber trotzdem war es eine Schweinerei ersten Ranges, was diese Lumpenhunde mit ihm gemacht hatten. Er sah aus dem Fenster und erkannte, wo er sich befand - in einem der beiden Seitenflügel des Gebäudes, in einem der Räume, die niemals benutzt worden waren.
Château Montagne wies über drei Etagen eine Unzahl yon Räumen auf, so viele, wie Zamorra, Nicole, die Gäste und Butler William niemals allein bewohnen konnten. Und selbst wenn der Jungdrache Fooly jede Woche ein Zimmer schrottete, brauchte erst nach frühestens einem Jahr renoviert zu werden - dann aber richtig.
Ähnlich sah's mit dem Keller aus. Da gab es Räume, die noch niemals erforscht worden waren und die wohl auch noch über viele Jahre oder Jahrzehnte hinweg niemand betreten würde, weil es einfach nicht genug Zeit und Gelegenheit gab, sie zu erforschen. Einer von Zamorras frühen Vorfahren, Leonardo deMontagne, hatte im 11. Jahrhundert eine Festung errichten lassen, mit einer für damalige Zeiten futuristischen Architektur, die den Gebäudekomplex heute fast schon modern erscheinen ließ; viel geändert worden war an den Bauten nicht. Lediglich das Eingangsportal war durch eine große Doppelglastür ersetzt worden, und Zamorras Arbeitszimmer in einem der beiden Ecktürme, die den Haupttrakt mit den Seitenflügeln verbanden, verfügte über ein vom Boden bis zur Decke reichendes Panoramafenster, das allerdings von außen nicht als solches erkennbar war; das glasartige Material täuschte Mauerwerk und ein ganz normales Fenster vor. Zamorra hatte irgendwann die Gelegenheit zu diesem Umbau ergriffen, um auch vom Schreibtisch aus jederzeit einen Blick über das Loire-Tal zu haben, als säße er auf einer Terrasse oder einem Balkon.
Vor fast tausend Jahren hatte Leonardo deMontagne eine Unzahl von Sklaven dabei »verbraucht«, dieses Bauwerk errichten zu lassen und die Gänge und Kavernen tief in den
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