0700 - Para-Hölle Spiegelwelt
natürlich nicht ging, mit dem Gesicht zum Boden…
Ein böses metallisches Geräusch klang auf - der Schlitten einer Pistole, der zurückgezogen wurde und wieder nach vorn schnappte, um dabei eine Patrone aus dem Magazin in den Lauf zu hebeln. Im nächsten Moment spürte Nicole kalten Stahl im Genick.
Der Unbekannte presste ihr die Mündung einer durchgeladenen Waffe in den Nacken. Ein kleiner Fingerdruck am Abzug, und…
»Schön brav bleiben«, flüsterte die Stimme. »Und nicht bewegen.«
»Schon gut«, keuchte Nicole. »Ich bin ganz ruhig.«
Dabei war sie alles andere als das. Wer konnte ruhig bleiben mit dem Tod im Nacken?
Die Pistolenmündung bewegte sich. Strich an Nicoles Wirbelsäule entlang. Ganz langsam, Zentimeter für Zentimeter.
Was soll das?, fragte Nicole sich.
Die Angst in ihr wuchs, während der kühle Stahl über ihren Rücken strich. Jetzt ein Schuss - wäre sicher nicht tödlich, aber er würde Nicole für alle Zeiten lähmen, an den Rollstuhl fesseln. Davor hatte sie noch mehr Angst als vor dem Sterben.
Sie merkte, wie sich eine Gänsehaut bildete.
»Interessant, diese Reaktion«, flüsterte die Stimme. »Ein faszinierender Körper… und wie er reagiert… aufregend, wirklich aufregend!«
Die Mündung kroch weiter abwärts, verlor keinen Sekundenbruchteil den Hautkontakt.
Nicole erschauerte.
Zamorra streichelte sie manchmal so - aber mit den Fingern oder den Lippen, nicht mit einer durchgeladenen Waffe. Sie begann zu transpirieren. Was, wenn der fremde Finger am Abzug aus irgendeinem Grund zuckte? Wenn die Kugel Nicoles Rückenmark verletzte, Nervenbahnen zerstörte?
Immer stärker wurde ihre Angst.
Die Pistolenmündung glitt weiter, erreichte ihr Gesäß, glitt immer noch weiter abwärts. Kein Grund zum Aufatmen. Plötzlich verstärkte sich der Druck, forderte…
Nicoles Körper zuckte leicht. »Nein«, keuchte sie erschrocken. »Bitte… nicht…«
Nochmals stärkerer Druck. Geflüstertes Lachen. »Weißt du, was dir entgeht? Dein Körper verrät dich, deine Reaktion auf die Berührung…«
Und in diesem Moment begriff sie irgendwie - auch wenn ihr nicht klar war, wieso.
»Ich weiß, wer du bist!«
Für einen kurzen Moment wich der Druck der Waffe, gab Nicole frei. »Was…?«
Sie nutzte die Chance.
Rollte sich seitwärts. Kam hoch.
Schlug zu, mit aller Kraft, die sie in diesem Moment und in ihrer Lage entfesseln konnte. Traf. Hörte ein Stöhnen. Setzte sofort nach. Etwas Schweres polterte auf den Holzboden. Nicole schlug noch einmal zu. Wusste, dass sie diesmal richtig getroffen hatte. Ein Körper sank zu Boden.
Mit erhobener Faust kauerte Nicole halb über der anderen Gestalt, bereit, sofort noch einmal zuzuschlagen. Aber es war nicht nötig.
Vorsichtshalber griff sie sofort nach der Pistole, die zwischen ihnen beiden auf dem Boden lag.
Und dann sah sie die Gestalt an, die sie bewusstlos geschlagen hatte.
Vor Nicole Duval lag Nicole Duval.
***
»Tatsächlich«, flüsterte sie - und lauschte dabei ihrer eigenen Stimme nach.
Der Tonfall hatte den Verdacht in ihr aufblitzen lassen, nicht die Worte. Sie kannte diese Sprachmelodie doch; es war ihre eigene. Und ohne weiter darüber nachzudenken, hatte sie das richtige erkannt und den Pfeil ins Blaue geschossen - und getroffen!
Vor ihr lag ihre Doppelgängerin!
Sie entsann sich dumpf: vor sehr langer Zeit hatte es schon einmal Doppelgänger von ihr und Zamorra gegeben.
Aber das war etwas ganz anderes gewesen… [3]
Hier war es schlimmer, konsequenter, katastrophaler. Hier waren es nicht nur einfach Doppelgänger, sondern einfach alles war falsch.
Auch Château Montagne war nicht Château Montagne, sondern ein nur ähnlicher Bau. Die Veränderungen im Schlafzimmer, das falsche Verhalten Lafittes, die Fremden im Château -plötzlich passte alles zusammen.
Dies war eine andere Welt. Sie ähnelte der Erde, aber sie war anders.
Sie war negativ!
Ein bösartiger, verräterischer Pascal Lafitte, eine bösartige, sadistische Nicole Duval - die Charakter waren genau umgekehrt. Wie Spiegelbilder, plus wurde minus und minus wurde plus.
Wo, beim Spreizdarm der Panzerhornschrexe, sind wir hingeraten? Und wieso?
Darüber würde sie wohl so bald keine Antwort erhalten, wenn sie sie nicht selbst fand.
Sie starrte ihre Doppelgängerin an.
Das Licht der Notlampe, die neben ihr auf dem Boden stand, reichte aus, genug zu erkennen. Nicole kannte sich von Fotos und natürlich von Spiegelbildern her, und sie konnte nicht den
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