0702 - Das Stummhaus
sich auf sein Bett. Durch die halbgeöffneten Lider sah er sie in den Wohnraum kommen und sich suchend umblicken. Wieder zog der eine seine Notizen zu Rate, und dann deutete er auf das Bett, in dem Vester lag.
„Das muß es sein, ein Irrtum ist ausgeschlossen." Sie kamen zu ihm und rüttelten ihn. „He, du da! Aufstehen! Der Verwalter möchte mit dir sprechen. Name?"
Vester richtete sich schlaftrunken auf.
„Was ist los?"
„Komm mit! Wie heißt du?"
„Kervin Caughens."
Sie nahmen ihn in die Mitte und führten ihn aus dem Raum.
Die alten Männer schauten verständnislos hinter ihnen her. Es kam selten vor, daß jemand aus ihren Reihen einfach abgeholt wurde, solange er noch lebte.
Auf dem Korridor meinte Vester: „Könnt ihr mir endlich sagen, was eigentlich los ist?"
„Mund halten!" wurde er angeschnauzt. Der Griff um seine Arme wurde fester. „Du wirst es noch früh genug erfahren."
Es war Vester klar, was geschehen sein mußte. Es gab bestimmt eine Registratur in der Anstalt, und diese hatte nun festgestellt, daß ein Kervin Caughens doppelt vorhanden war.
Er hätte den Fluchtversuch einen Tag früher unternehmen sollen.
Sie überquerten mit ihm den Hof und führten ihn in ein Gebäude, das er vorher nicht gesehen hatte. Die Böden waren mit Kunstteppichen ausgelegt, und an den Wänden hingen scheußliche Bilder. Vor einer Tür hielten sie an. Ein Summer wurde betätigt, und dann sagte eine Lautsprecherstimme: „Laß ihn zu mir - allein. Wartet draußen."
Sie stießen ihn durch die sich öffnende Tür, die sich hinter ihm sofort wieder schloß. Hinter einem breiten Tisch saß ein Mann in der dunklen Uniform der Stummhäuser. Er betrachtete Vester voller Interesse und musterte ihn von oben bis unten. In seinen Augen glaubte Vester eine Spur von Unmut entdecken zu können, was unter den gegebenen Umständen kein Wunder war.
Der Vorfall jedenfalls schien dem Verwalter alles andere als angenehm zu sein. Vielleicht befürchtete er Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten.
„Setzen Sie sich", sagte er schließlich und deutete auf einen Stuhl. „Sie werden sich denken können, warum ich Sie sprechen will."
Vester nickte. Leugnen würde nicht viel Sinn haben. Er hatte sich eine hübsche Geschichte zurechtgelegt.
„Kervin ist ein Vetter von mir, müssen Sie wissen, und er bekam die Einweisung in dieses Stummhaus. Ich selbst bekam nie eine, und ich nehme an, man vergaß mich. Kervin floh - er ist da etwas seltsam und liebt die Freiheit. Also holte ich ihn aus dem Gefängnis in Terence und übernahm seine Rolle. Das ist eigentlich alles. Im Grunde kann man es nicht einmal als Verbrechen bezeichnen, denn ich habe nur einen Fehler der Bürokratie korrigiert. Allerdings haben Sie nun zwei Männer mit dem Namen Kervin Caughens hier. Das ist jetzt Ihr Problem."
Der Verwalter sah Vester unentwegt an, und dabei wurden seine Augen immer größer, sein Blick ständig ungläubiger. Er schwieg volle fünf Minuten, und Vester beschlich das Gefühl, einen Fehler gemacht und zuviel gesagt zu haben.
Schließlich vergewisserte sich der Verwalter: „Wollen Sie behaupten, in unserem Haus gibt es zwei Männer, die beide Kervin Caughens heißen? Und Sie geben zu, die Rolle des anderen übernommen zu haben, nur so zum Spaß?"
„Stimmt!"
„Sie lügen! Aber fragen wir die Registratur." Er tippte einige Daten in den Befehlsgeber, der die Impulse weiterleitete und eine entsprechende Auskunft vom Computer verlangte. „Gleich werden wir alles über Kervin Caughens wissen."
Vester wurde klar, daß der Verwalter noch nichts von seiner Doppelrolle gewußt hatte. Er hatte ihm aus einem ganz anderen Grund zu sich rufen lassen, der nichts mit Kervin Caughens zu tun hatte. Statt den Uniformierten vom eigentlichen Problem abzulenken, hatte er ihn erst recht darauf aufmerksam gemacht.
Das war ein Fehler, der sich verhängnisvoll auswirken konnte.
Die angeforderten Informationen kamen im Klartext. Der Verwalter las sie und blickte Vester forschend an. In seiner Stimme war Unsicherheit, als er sagte: „Kervin Caughens befindet sich zur Zeit bei der medizinischen Überprüfung. Sein Gesundheitszustand ist nicht der beste. Er wird für die Organbank nur von geringem Nutzen sein.
Gleichzeitig informiert der Computer darüber, daß Kervin Caughens vor sieben Tagen untersucht wurde, mit guten Resultaten. Es kann sich demnach nicht um ein und dieselbe Person handeln. Ihr Märchen stimmt also! Aber warum? Sie hätten sich nur bei
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