0703 - Jagd der Outsider
laut und ging in die Naßzelle. Ihm war schlecht. Fünf Uhr morgens. Schon heute konnte Beiger das Werk besuchen. Sie mußten reagieren, aber noch drängte die Zeit nicht.
Skalter versuchte, sich zu beruhigen und seine wirbelnden Gedanken und Überlegungen unter Kontrolle zu bringen. Er duschte, ohne Jermon zu wecken, der sich unaufhörlich herumwarf und im Traum stöhnte. Sie hatten aus allen Verstecken das mitgenommen, was sie brauchen konnten, und jetzt befanden sie sich wieder im Zentrum der Stadt, in dem verwahrlosten Apartment.
Sie besaßen genug zu trinken und zu essen.
Sie waren einigermaßen ausgeschlafen, aber unruhig.
Und sie hatten zuwenig Waffen, und zuwenig weitreichende.
Bohrende Unruhe, Angst vor dem eigenen Versagen, die Furcht, dem Auftrag nicht gerecht zu werden, und die Visionen von einer besseren Welt nach dem Chaos marterten Skalter Mingus, der sich wusch, anzog und dann so leise wie möglich das Frühstück bereitete. Noch während er auf das Aufwachen Jermons wartete, packte er ein, was sie für die nächsten Tage zum Überleben brauchten.
Der Gleiter, den sie gestohlen hatten, wartete in der Tiefgarage; das Polizeifahrzeug hatten sie mit kurzgeschlossener Zündung gegen eine Dienststelle gesteuert, in einem anderen Stadtteil.
„Und wir haben noch zwei Raketen!" brummte Skalter. Als alles fertig war, aktivierte er den Interkom.
Die Musik und die Durchsagen weckten Jermon Tascho auf.
Schwitzend orientierte sich der schwarzhaarige Mann und wankte wortlos ins Bad.
Nach einer Weile ließ er sich schwer in den Stuhl fallen und begann in anklagendem Tonfall: „Du hast mich zu allem überredet, Skalter. Und jetzt sind wir mit unserer Weisheit am Ende. Bringst du uns auch wieder aus allem heraus?"
Er hob die Tasse hoch und erwiderte ruhig: „Wir werden dieses Apartment verlassen. Wir verstecken uns und erledigen Beiger heute oder morgen. Und dann bringe ich dich zu uns. Zur Gruppe Regeneration. Dort gibt es alles, was wir brauchen. Und nur Menschen, die echte Gefühle haben. Du wirst das erstemal in deinem Leben geliebt werden. Selbstlos und mit Hingabe. Das verspreche ich dir."erwiderte düster und von Zweifeln geplagt: „Wenn wir überleben, Skalter!"
„Wir überleben, das versichere ich dir. Es ist nicht der erste Auftrag dieser Art, den ich erledige."
Er hatte alle anderen Gedanken zur Seite geschoben, einfach verdrängt. Er mußte das Vertrauen, das andere und auch er in sich gesetzt hatten, rechtfertigen. Für ihn gab es nur noch ein Ziel, und er würde es ebenso erreichen wie jedes andere in seinem langen Leben: Tod dem Abgesandten der Aphilie, Jeremy Beiger.
„Ich wünsche, daß du recht behältst. Was genau hast du vor?"
fragte Jermon. Es war deutlich zu erkennen, daß er sich noch immer fürchtete. Aber andererseits kämpfte er heldenmütig gegen seine Angst an.
„Wir verbergen uns in der Nähe des Punktes, an dem Beiger sterben wird!" erläuterte Mingus.
*
Ihren Gleiter hatten sie unter dünnen Sandschicht versteckt. Die tief eingedrückten Spuren führten über den Sand, verloren sich im Gestrüpp des Strandgrases und zwischen angeschwemmtem Abfall. Keuchend und schwitzend stapften die zwei Männer auf die grüne Kulisse des Waldes zu, der sich vor ihnen erhob. Jeder von ihnen trug drei verschiedene Waffen - alles, was sie noch besaßen. Ein Sack war auf den Rücken geschnallt, dort befanden sich Konserven, Getränke und die unersetzlichen Energiemagazine.
„Verfluchte Hitze!" stöhnte Jermon Tascho. Er trug zusätzlich das schwere Funkgerät. Insekten umschwirrten ihn und krabbelten über sein Gesicht.
„Wir sind gleich im Schatten!" tröstete ihn Mingus.
Ununterbrochen mußte er dem Partner Mut zusprechen und versuchen, dessen Ängste zu neutralisieren. Er befand sich in einer außergewöhnlich schwierigen Situation, aber in wenigstens achtundvierzig Stunden - nach seiner privaten Rechnung! - war alles vorbei.
Sie stapften weiter.
Überall hatten sie Kontrollen gesehen und in großen Bögen umgangen. Die Luft war voller Gleiter, die über dem Sperrgebiet kreisten. Auf dem Meer patrouillierten Boote; Polizeigleiter rasten dicht über die Wasseroberfläche dahin. Dies konnte kein Trick sein, um sie aus dem Versteck herauszulocken, sondern war unzweifelhaft Teil der Vorbereitungen für Beigers Besuch im Robotwerk.
Sie erreichten den Wald an einer Stelle, die mindestens zwanzig Kilometer vom Eingang der Fabrik entfernt war. Mühsam kämpften sie sich
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