0703 - Stunden der Angst
›Sir‹ steht mir nicht zu«, korrigierte der Butler prompt. »Sie können mich William nennen.«
»Meinetwegen auch das«, grollte Blanchet. »Wo ist der Deutsche Michael Ullich?«
»Nicht hier.«
»Aber er sollte hier sein.«
»Wer behauptet das?«
»Unsere deutschen Kollegen aus Frankfurt.«
»Und was interessiert Ihre deutschen Kollegen so sehr an Herrn Ullich?«
Boulais regte sich wieder.
»Ullich steht unter Mordverdacht.«
Williams Augen wurden groß. »Bitte?«
»Sie haben's gehört. Also, wo steckt der Knabe? Und wo ist Carsten Möbius?«
»Das ist absurd«, sagte William kopfschüttelnd. »Völlig absurd. Ich bin sicher, dass es sich um eine Verwechslung handelt. Herr Ullich ist eines Mordes überhaupt nicht fähig.«
»Diese Beurteilung überlassen Sie bitte anderen«, erwiderte Blanchet ungeduldig. »Also, wo zum Teufel steckt er?«
»Sehen Sie, Kommissar, an diesem Punkt hätten wir ohne das vulgäre Aufführen Ihres Kollegen schon viel früher sein können: Herrn Ullichs momentaner Aufenthaltsort ist mir leider nicht bekannt. Ich wüsste selbst gern, wo und wie ich ihn erreichen könnte. Bitte, Sie können sich gern im Château Montagne umsehen. Alle Räumlichkeiten stehen Ihnen offen -sofern Sie zuvor höflich anklopfen, um kompromittierende Situationen zu vermeiden.«
»Der redet ja immer noch so bescheuert geschraubt daher«, murrte Boulais, der sich mittlerweile erhoben hatte und sein Kinn rieb. »Sie sind verhaftet, Mann!«
Blanchet schüttelte den Kopf.
»Wenn du das ernst meinst, Jules, kriegst du von mir den nächsten Kinnhaken.«
Das machte ihn William fast sympathisch…
***
Eine Stunde später kapitulierten beide Polizisten.
»Wir sollten ein Einsatzkommando her schicken, das das ganze Château auf den Kopf stellt«, hatte Jules Boulais angesichts der Größe des Loire-Schlosses und der unterirdischen Kavernen und Korridore vorgeschlagen.
»Und woher willst du das nehmen? Du brauchst mindestens eine Hundertschaft«, schätzte Blanchet, »und die kriegen wir nie genehmigt, nur um den Deutschen Amtshilfè zu leisten. Gut, wir haben diesen Ullich und diesen Möbius nicht gefunden, das war's. Wir haben unseren Job gemacht. Wir gehen.«
»Aber…«
Der Kommissar hob beide Hände.
»Was sollen wir denn tun? Die beiden sind nicht hier! Und selbst wenn sie hier gewesen sein sollten, hatten sie Gelegenheit genug, zu verschwinden. Übrigens…«
»Ja?«
Blanchet klopfte auf sein Handy am Gürtel. »Ich habe zwischendurch mal in Lyon angerufen, am Airport, wo die beiden angekommen sein sollten. Sind sie auch. Ein Taxifahrer hat sie zum Stadtpark gebracht. Keine weitere Spur.«
»Was soll das heißen? Warum hast du mir davon vorher noch nichts erzählt? Wir müssen…«
»Wir müssen gar nichts. Lyon liegt in einem anderen Departement. Da sind andere Kollegen zuständig, nicht wir. Wir können davon ausgehen, dass weder Ullich noch Möbius überhaupt hier angekommen sind.«
Von Regenbogenblumen wussten sie nichts.
Aber die weitere Suche überließen sie gern ihren Kollegen aus Lyon…
***
Spiegelwelt:
Michael Ullich erschauerte.
Es wurde ernst. Es ging ihm ans Leben.
Bis zu diesem Moment hatte er trotz aller Qualen, trotz aller magischen Schläge, die der negative Zamorra ihm zugefügt hatte, immer noch nicht wirklich geglaubt, dass man ihn umbringen würde. Er wollte es einfach nicht wahr haben, klammerte sich verzweifelt an ein winziges Stückchen Hoffnung.
Aber des bösen Zamorras Befehl besiegelte Ullichs Schicksal.
Sofern er nicht doch redete!
Foltermethoden wie im Mittelalter, wie bei den Hexenprozessen!
Ihm brach der Angstschweiß aus. Und er fragte sich, wie ein Mensch einem anderen Menschen so etwas antun konnte. Wie pervers, wie verroht musste dieser bösartige Zamorra dieser fremden, falschen Welt doch sein!
»Das… das können wir nicht«, murmelte plötzlich einer der Muskelmänner. »Chef, das - das können Sie nicht von uns verlangen. Ihn erschießen oder erstechen oder so… aber…«
Wenn es nicht so aberwitzig absurd gewesen wäre, hätte man darüber lachen können - da gab es Menschen, die bereit waren, andere zu töten -aber nichf, indem sie sie häuteten…
»Das kann ich nicht verlangen?«, hakte der dunkle Zamorra nach.
Die Stimme des Sprechers wurde fester. »Nein, Chef. Das können Sie nicht. Und wir können es nicht tun. Wir werden es nicht tun.«
Ullich war nicht in der Lage zu sehen, wie die anderen reagierten. Der Schmerz tobte
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