0704 - Der Pestbringer
denn?«
Der Geistliche wischte über seine Augen. Während der letzten Minute war er um Jahre gealtert. »Es ist der Schädel des Alchimisten, Bruder. Der Rest eines gewissen Ampitius. Sie haben ihn gesucht, und sie haben ihn gefunden.«
»Wo war er vorher?«
»Vergraben. All die Jahrhunderte lang lag er in der schottischen Erde. Nur wenige kannten den Ort. Die Menschen ließen ihn in Ruhe. Niemand wollte etwas mit ihm zu tun haben. Sie… sie haßten ihn, wenn du verstehst. Sie fürchteten sich davor, aber nicht seine Diener. Sie haben ihn wieder ausgegraben.«
»Wie war das möglich?«
»Ich weiß es nicht, Bruder.« Kirk wirkte hilflos. »Sie müssen einen Auftrag bekommen haben.«
»Von wem?«
Der Pfarrer dachte nach. »Ich kann mir nur vorstellen, daß es der Pestbringer gewesen ist.«
»Den du aber nicht kennst.«
»Richtig.«
Ignatius ließ den Kopf nicht aus den Augen. »Was könnte ihnen der Schädel bringen?«
»Ich weiß es nicht. Er ist der letzte Rest eines Magiers. Vielleicht verschafft er ihnen den Zugang zur Hölle. Wer kann das schon alles wissen?«
»Man müßte sie fragen.«
»Willst du in die Grube?«
Der Mönch schaute seinen Bruder hart an. »Ich will den verdammten Schädel vernichten.«
Kirk trat einen Schritt zurück. »Wie… wie willst du das denn machen? Dazu müßtest du nahe an ihn herankommen und in die Grube springen. Sie sind in der Überzahl, sie werden dich vernichten, denn sie sind von höllischen Kräften besessen. Die Veränderung ihrer Gesichter ist schlimm genug, Bruder, aber sie haben auch ihre Seele verloren, und das ist für mich noch furchtbarer.«
Father Ignatius gab ihm recht. Aber er konnte einfach nicht inaktiv bleiben, er mußte etwas tun, und er wußte auch, daß er nicht allein war.
»Ich möchte einen Test machen«, sagte er.
»Und welchen?«
»Kannst du noch einmal zurückgehen und etwas Weihwasser holen?«
Kirk starrte seinen Besucher an. Er wurde bleich. »Willst du sie mit Weihwasser bespritzen?«
»Nicht nur sie, auch den Schädel. Ich weiß mittlerweile, daß in ihm eine teuflische Kraft steckt. Er ist nicht der Anführer, aber er ist für die Veränderten so etwas wie ein Anlaufpunkt. Und ihn will ich zerstören oder schwächen.«
Kirk hob die Schultern. »Wenn ich näher darüber nachdenke, hört es sich direkt gut an.«
»Dann geh bitte.«
»Ja, Bruder, ja.« Er warf noch einen letzten Blick auf die Grube, drehte sich um und huschte davon.
Ignatius aber wartete. Mit dieser Entwicklung des Falles hatte er nicht gerechnet. Er war heilfroh, daß er nicht allein stand. Auch wenn John Sinclair und Suko sich nicht in seiner unmittelbaren Nähe befanden, so gab ihm das Wissen, daß sie im Ort die Augen aufhielten, einen großen Schub an Mut.
Die Veränderten kümmerten sich wieder um den Schädel. Sie hielten ihn jetzt umkreist und gingen gebückt. Hände streckten sich dem blanken Gebein entgegen und strichen über die Platte hinweg. Es sah so aus, als wollten sie durch ihre Bewegungen eine große Kraft schöpfen, um die nächsten Nächte bestehen zu können.
Bisher waren sie relativ stumm gewesen, was sich nun änderte. Einer fing damit an, die alten, dumpfen Melodien zu summen. Die anderen stimmten ein, und schon bald hatte sich ein Chor gebildet, dessen schauriger Gesang aus der Grubenöffnung in die Höhe stieg und bei Father Ignatius eine Gänsehaut erzeugte.
Es war nämlich nicht allein bei der Melodie geblieben. Die Veränderten sangen einen Text dazu, dessen Inhalt sich um die Mächte der Hölle drehte, um eine alte Rache, die vom Teufel geleitet wurde, der sie weiter an seine Diener schickte, damit sie dafür sorgten, daß die Botschaft des Satans in die Welt hinausgetragen wurde.
Father Ignatius konnte nicht alles verstehen, das wenige aber reichte ihm aus, denn er erfuhr, daß die Hölle sehr bald mit einer geballten Macht angreifen würde, und daß der Pestmacher sich noch immer in der Nähe aufhielt.
Über den Begriff dachte der Mönch länger nach. Wer war dieser Pestmacher? Er konnte sich nicht vorstellen, daß es den Sängern dabei um den Schädel ging. Seine Zeit war vorbei, die lag Jahrhunderte zurück. Inzwischen mußte die Hölle an einem neuen Platz gebastelt haben. Und dabei kam einiges zusammen.
Konkret wußte Ignatius nicht, was sich anbahnte, aber auch John und Suko befürchteten Schlimmes, denn Carter Eastlands Erzählungen ließen darauf schließen.
Er war von diesem schrecklichen Gesang dermaßen
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