0704 - Vampir-Zyklopen
dem brauchen Sie keine Angst zu haben!«
Es war Nicole nicht entgangen, dass Aurillac und die junge Frau mit mehr oder weniger panischen Blick Fooly taxiert hatten, der einige Schritte schräg hinter Nicole auf dem Rasen stand und sich vor Neugier kaum bezwingen konnte.
»Das ist ein Drache, wie Sie sehen. Aber er ist harmlos und weiß sich außerdem zu benehmen. Nicht wahr, Fooly?«
Der Jungdrache schlug mit seinem Schwanz hin und her und deutete eine Verbeugung an.
Professor Aurillac zuckte mit den Mundwinkeln. Aber dann sagte er sich, dass ein Drache als Haustier eines dämonenjagenden Parapsychologen wahrscheinlich nicht allzu ungewöhnlich sei. Und nach dem grausigen Höhlenerlebnis…
Der Besucher wollte gerade den Mund öffnen, um zur Sache zu kommen. Da schaute Nicole an seiner Schulter vorbei und winkte lächelnd.
Wie auf Stichwort erschien Professor Zamorra auf der Bildfläche.
Der Dämonenjäger war lässig in eine Bluejeans und ein Freizeithemd gekleidet. Seine durchtrainierte, breitschultrige Figur wirkte alles andere als professoral. Das fiel jedenfalls Denise Mercier sofort auf. Unwillkürlich strich sie ein paar Fransen ihrer Kurzhaarfrisur zurecht.
Nachdem auch Zamorra seinen Gästen vorgestellt worden war, nahmen alle am Gartentisch Platz. Butler William erschien mit dem Kaffee.
Aurillac konnte nun nicht mehr schweigen. Die Geschichte über das Erlebnis mit dem Vampir-Zyklopen sprudelte nur so aus ihm hervor. Es war dem Höhlenforscher anzumerken, dass ihn die Sache ziemlich mitgenommen hatte. Auch Denise Mercier war ganz blass um die Nase geworden, obwohl sie Zamorra immer noch mehr oder weniger unauffällig anhimmelte.
Nicole nahm es schmunzelnd zur Kenntnis. Sie konnte sich der Treue ihres Lebensgefährten sicher sein…
Zamorra nahm nachdenklich einen Schluck Kaffee. Sein Blick schweifte in weite Ferne. Mit der linken Hand spielte er mit Merlins Stern, den er gut sichtbar um den Hals trug.
»Eine abgelegene Region Korsikas also…«
»Genau«, bestätigte Aurillac. »In der Castagniccia liegt der Hund begraben, wie man so schön sagt. Herrliche Landschaft, aber nur wenige arme Bergdörfer. Nur die Alten leben noch dort. Die jungen Leute gehen nach Bastia oder nach Ajaccio, weil es daheim keine Arbeit gibt.«
»Oder notfalls aufs Festland, nach Frankreich«, ergänzte Denise. »Und es muss einem Korsen schon ganz schön schlecht gehen, bevor er seine Insel verlässt.«
»Zurück zu diesem Vampir-Zyklopen«, kam Zamorra auf den Punkt. »Beschreiben Sie ihn mir bitte möglichst genau.«
Das taten Aurillac und Denise. Nicole machte sich fleißig Notizen und ließ sicherheitshalber ein Diktiergerät mitlaufen.
Schließlich verstummten die beiden Besucher.
»Wie Sie vielleicht auch wissen«, begann Zamorra, »ist Korsika schon sehr lange besiedelt. Die ersten Spuren menschlichen Lebens stammen aus dem 7. Jahrtausend vor Christi Geburt.«
Aurillac hob eine Augenbraue.
»Das war mir nicht bekannt«, gestand er. »Mich interessieren eher Gesteinsformationen, unterirdischer Gewässerverlauf und…«
Zamorra bat ihn mit einer Handbewegung, zu schweigen.
»Diese in Stein gehauenen Hieroglyphen am Grotteneingang deuten darauf hin, dass bereits Menschen der Frühzeit die Höhle verschlossen haben. Warum?«
Aurillac beantwortete die Frage selbst.
»Weil sie nicht wollten, dass etwas aus der Grotte ans Tageslicht kommt«, murmelte er beschämt. »Aber wie hatten wir ahnen können…«
Zamorra ersparte sich einen Kommentar. Es kam leider öfter vor, dass Menschen aus Unwissenheit oder Leichtsinn dämonische Kräfte freiließen, die einst von weisen Vorfahren gebannt worden waren.
»Wie auch immer«, sagte Zamorra. »Jedenfalls gibt es auf Korsika beispielsweise vorgeschichtliche Kriegerskulpturen. Damals verehrte man eine Große Erdmutter als Herrin über Leben und Tod. Diese steinernen Krieger sollten ihre Heiligtümer beschützen, wie die Wissenschaft heute annimmt.«
»Und wovor beschützen?«, fragte Denise Mercier.
Zamorra hob die Schultern.
»Vielleicht vor diesem Vampir-Zyklopen und seinesgleichen.«
»M- meinen Sie, es gibt noch mehr von der Sorte?«, fragte Aurillac atemlos.
»Möglich wäre es.«
»Aber wie konnten diese Bestien so lange überleben? Jahrtausende…«
»Für dämonische Kreaturen«, erklärte Zamorra, »ist unsere Zeitrechnung ein Witz. Die Schwarzblüter sind keine sterblichen Menschen. Und vergessen Sie bitte nicht, dass Vampire grundsätzlich
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