0704 - Vampir-Zyklopen
nicht…«
»Sie sind auch Franzose!«, unterbrach Aurillac den Offizier wütend. Er konnte nicht fassen, was er sich hier anhören musste. »Und es ist Ihre Dienstpflicht, diesem grausamen Mord in der Grotte auf den Grund zu gehen!«
»Ich bin in erster Linie Korse«, zischte der Capitaine gefährlich leise. Er warf einen verächtlichen Blick auf die Trikolore, die an der Wand hinter ihm um ein Bild des Staatspräsidenten drapiert war. »Sie müssen mich nicht an meine Pflichten erinnern, Monsieur le Professeur! Selbstverständlich werde ich eine Patrouille aussenden…«
Aurillacs Miene hellte sich auf.
»…sobald es unsere üblichen Dienstobliegenheiten erlauben«, vollendete der Offizier den Satz. »Also wahrscheinlich in zehn bis zwölf Tagen. Oder, eher noch, nach den Feiertagen, wenn wir…«
»Ich werde mich über Sie beschweren!«, drohte Aurillac und stand auf. Denise folgte seinem Beispiel.
Sie verließen Baptistes Dienstzimmer.
»Tun Sie das!«, rief Baptiste ihnen nach. »Unser Gendarmeriebezirk ist chronisch unterbesetzt. Ich muss mit meinen wenigen Leuten Ruhe und Ordnung aufrechterhalten! Ich kann nicht eine Hundertschaft in die hinterste Ecke der Castagniccia schicken. Nur wegen der Hirngespinste eines Professors aus Frankreich!«
Das letzte Wort spie er aus wie einen obszönen Fluch. Was es nach Ansicht des Korsen wahrscheinlich auch war…
Gleich darauf standen Professor Georges Aurillac und Denise Mercier auf dem Gehweg vor dem Gendarmerieposten. Knorrige Korkeichen spendeten Schatten. Die beiden Wissenschaftler trugen immer noch ihre weißen Overalls, was ihnen von den vorbeischlendernden Einheimischen neugierige Blicke eintrug.
Aber da diese beiden Fremden offensichtlich keine Korsen waren, nahm man sie sowieso nicht für voll…
»Ich kann nicht glauben, wie wir gerade abgefertigt worden sind!«, sagte Aurillac.
»Die Korsen lieben uns nicht«, erinnerte Denise ihn. »Viele von ihnen würden sich lieber heute als morgen vom französischen Mutterland lossagen…«
Die Pariser Studentin deutete auf den Mohrenkopf, das Symbol der korsischen Befreiungsbewegung FLNC. Jemand hatte das Profil eines Schwarzen mit den vier Buchstaben in aller Ruhe an eine abblätternde Häuserwand gepinselt. Genau gegenüber dem Gendarmerieposten, wohlgemerkt…
Aurillac schüttelte unwillig den Kopf, während er mit seiner Studentin zu dem geparkten Toyota Jeep hinüberging.
»Das war nicht nur die übliche korsische Franzosenabneigung, Denise. Ich hatte das Gefühl, dieser Offizier wusste genau, wovon ich sprach.«
»Das Gefühl hatte ich auch, Monsieur le Professeur.«
Aurillac blieb abrupt stehen und schaute Denise direkt ins Gesicht.
»Wir sind doch nicht geisteskrank, oder? Wir haben beide gesehen, wie diese einäugige Bestie aus dem Wasser aufgetaucht ist!«
»Ja, und wie sie den armen Lucien gepackt hat! Und dann… dann…«
Die Studentin kämpfte mit den Tränen.
Aurillac legte ihr den Arm um die Schultern. Er durchforstete sein Gedächtnis. Wer konnte ihnen helfen? Die Armee? Hier auf Korsika war immerhin die Fremdenlegion stationiert, Frankreichs legendäre Elitetruppe…
Sofort verwarf der Höhlenforscher den Gedanken wieder. Wenn die Gendarmerie ihm schon nicht geglaubt hatte - warum sollten es die Legionäre tun?
Dieser Vampir-Zyklop entzog sich einfach dem rationalen Weltbild, mit dem die Wissenschaft…
Plötzlich hatte Aurillac einen Geistesblitz.
»Es gibt da einen Kollegen, der früher an der Sorbonne gelehrt hat«, sagte der Höhlenforscher wie zu sich selbst. Doch Denise hatte ihn genau gehört. Sie trocknete ihre Tränen und blickte zu Aurillac auf.
»Was für ein Kollege, Monsieur le Professeur?«
»Kollege ist vielleicht zu viel gesagt, Denise. Dieser Mann ist kein Höhlenforscher, sondern Parapsychologe. Auf jeden Fall führt er auch den Titel eines Professors. Damals an der Sorbonne hat man sich die abenteuerlichsten Geschichten über ihn erzählt. Er soll durch die Zeit reisen können, gegen höllische Dämonen kämpfen und vieles mehr.«
»Wie heißt dieser Mann?«
»Sein Name ist - Zamorra.«
***
Capitaine Louis Baptiste wartete ungefähr zehn Herzschläge lang, nachdem sich die Tür hinter diesem verdammten französischen Professor und seiner Studentin geschlossen hatte.
Dann zündete sich der Gendarmerieoffizier nervös eine Gauloises an. Er rauchte ein paar Züge. Äußerlich wirkte er immer noch gelassen, fast gelangweilt.
Doch in seinem Inneren
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