0705 - Schrei nach dem Satan
Luft war nicht gut.
Sie stand zwischen den Wänden. Es gab keine Kühlung. In den letzten Tagen hatten sich auch die dicken Mauern des Hauses aufgeheizt und gaben ihre Wärme nun nach innen ab. Man schwitzte, auch, wenn man nichts tat, und mehr als einmal wischte Greta mit ihrem Taschentuch über Stirn und Wangen.
Würde er kommen?
Sie wusste es nicht. Sie wusste auch nicht, wer diese Person war.
Dieser Knappe namens Ampitius, von dem alte Legenden berichteten, könnte es bestimmt nicht sein. Sie ging davon aus, dass jemand dessen Erbe übernommen hatte.
Wer kam dafür in Frage?
Sie kannte jeden Bewohner von Farthham, und sie traute keinem so etwas zu. Was aber passierte, wenn ein Mensch unter einem dämonischen Bann geriet? Dann konnte bei ihm für nichts mehr garantiert werden.
Sie dachte an die Toten unter der Kirche. Mein Gott, es war so fürchterlich, sie konnte es kaum fassen. War überhaupt ein Mensch zu einer derartigen Tat fähig?
Greta war über achtzig Jahre alt geworden. Sie glaubte, die Menschen zu kennen, aber derartiges hatte sie noch nie in ihrem Leben mitgemacht. Das war einfach ungeheuerlich. Da waren Menschen tatsächlich unter die Stufe der Tiere gerutscht.
Sie lauschte.
Aus dem Zimmer ihrer Enkelin drang kein Laut, aber von unten her hörte sie etwas.
Leise Stimmen, die ab und zu lauter wurden, wenn die rückwärtige Tür der Gaststätte geöffnet wurde, die zum Anbau führte. Greta wunderte sich darüber, dass sich noch Menschen im Pub aufhielten.
Möglicherweise fühlten sie sich dort sicherer als in den Häusern oder in ihren Wohnungen.
Die Zeit verrann. Vom langen Sitzen wurde Greta einfach zu steif, und das wollte sie auf keinen Fall. Sie musste beweglich bleiben, weil sie damit rechnete, dass jemand kam.
Zudem hoffte sie, dass die Männer aus London schneller waren.
Sie würde sich besser fühlen, wenn sie die beiden in ihrer unmittelbaren Nähe wusste.
Sie stand auf. Das Knacken der alten Knochen gefiel ihr gar nicht, aber dagegen konnte sie nichts mehr tun. Greta war auch nicht bewaffnet, es sei denn, man sah das Kreuz als Waffe an, das an einer schmalen Kette um ihren Hals hing. Es bestand aus feinem Gold und war ein Geschenk ihres zu früh verstorbenen Mannes gewesen, der ihr damals erklärt hatte, dass dieses Kreuz sie beschützen sollte.
Beth hatte die Hand an der Außenseite ihres Zimmerfensters entdeckt, und auf das Fenster ging auch sie zu.
Es war zwar klein, aber sie würde es aufziehen, dann hatte sie einen besseren Blick.
Wie immer klemmte es, wie immer musste sie eine gewisse Kraft aufwenden, dann aber freute sie sich, als ihr die frische Luft entgegenströmte und auch den Geruch eines gesundes Waldes mitbrachte. Zweimal atmete sie tief ein.
Das war einfach herrlich, das war gut, das war Balsam für ihre Lungen.
Es dämmerte wenn der Abend damit begann, den Tag abzulösen.
Es war eigentlich die Zeit, die Greta sehr liebte, doch an diesem Abend kam ihr das Normale so fremd vor. Sie hatte den Eindruck, als wäre die Dämmerung dabei, etwas in den Ort hineinzudrücken, das nicht hierher gehörte.
Etwas Böses, etwas Grauenvolles…
Sie merkte es, denn es wehte ihr aus dem offenen Fenster entgegen. Es war nicht greif- und auch nicht erklärbar, es war einfach vorhanden und kam wie ein schleichendes Gift.
Sie hörte keinen Laut. Die Menschen in Farthham schienen, falls sie sich im Freien befanden, nur auf Zehenspitzen zu bewegen, um nur keinen zu stören.
Die Dämmerung brachte auch den Druck.
Greta hatte leichte Schwierigkeiten beim Atmen. Sie spürte den Druck auch in ihrem Magen, als wären dort unsichtbare Hände am Werk, die ihn zusammendrückten und nicht mehr aus der Umklammerung lassen wollten.
Ein Viertel der Berge sah aus, als würde es brennen. Es war das letzte Viertel, noch bestrahlt von der tiefstehenden Sonne, die für diese kalte Flammenpracht sorgte.
Schon seit den Tagen ihrer Kindheit war Greta von den Sonnenuntergängen fasziniert gewesen, doch an diesem frühen Abend konnte sie ihm nichts abgewinnen.
Die Furcht blieb.
Ihr Blick fiel auf das Haus gegenüber. In den unteren Räumen brannte Licht. Es kam ihr so fern vor, als wären es Sternen. In den Bergen kam es ihr immer vor, als hätten unsichtbare Hände eine Glocke über das Tal gestülpt. Das Gefühl, auf einer Insel zu stehen, ließ Greta einfach nicht los. Inmitten des Dorfes war dieses Haus gebaut worden, und trotzdem konnte sie keine Sicherheit empfinden, denn die anderen
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