0709 - Das Seelenschwert
Ich will erst sehen, was Sir James erreicht.«
Sie hatte den Satz kaum ausgesprochen, als die Tür aufgestoßen wurde.
Der Superintendent kehrte zurück. Leider ohne einen Übersetzer, er war allein und nickte uns zu.
»Keine Chance, Sir?«
Er nahm auf einem zweiten Stuhl Platz. »Wie man es nimmt. Es wird nur noch etwas dauern, bis jemand kommt. Ich habe da alle Hebel in Bewegung gesetzt. Im chinesischen Konsulat hatte ich Erfolg. Man will jemand vorbeischicken.«
»Das ist gut.«
»Und was macht Suko?«
Als der Junge seinen Namen hörte, schaute er auf und Sir James an, der seinen Blick senkte, als könnte er den des anderen einfach nicht ertragen.
»Er scheint sich recht wohl zu fühlen, Sir«, erwiderte ich.
»Dann geht es ihm besser als mir.« Sir James nahm die Brille ab und reinigte die Gläser. »In einer derartigen Lage habe ich noch nie gesteckt. Keiner von uns weiß, was er unternehmen soll oder kann. Wir sitzen fest, darüber sind wir uns einig.«
Ich nickte.
»Haben Sie schon überlegt, John, wie es weitergehen soll? Was wollen Sie mit dem Kind machen?«
»Es ist schwer…« Ich wollte mich nicht festlegen, aber Sir James bohrte weiter.
»Da unten steht die Truhe.«
Es war klar, worauf er hinauswollte. Auch ich hatte mit dem Gedanken gespielt, zusammen mit dem Kind den Spiegel zu untersuchen und ihn möglicherweise als Tor zu einer anderen Welt oder einer anderen Zeit zu benutzen. Ich dachte auch an Sukos Waffe, die ich wieder an mich genommen hatte, nachdem der Schatten verschwunden war.
Das Böse war weg. Zurück hatte uns der Teufel die andere Seite gelassen.
Oder war es ihm gelungen, uns mit dem Kind ein Kuckucksei ins Nest zu legen?
Ich traute ihm alles zu. Er war widerlich, er war gemein, und ich konnte mir sogar vorstellen, daß er hier als Kind erschienen war.
Der Gedanke daran ließ mich schwitzen, was auch Glenda und Sir James auffiel.
»Ist was, John?«
Ich hob die Schultern, ohne Glendas Frage zu beantworten. Zudem wollte ich sie nicht beunruhigen. Aber ich wollte einen Test starten und holte mein Kreuz hervor.
Auch ohne eine Erklärung wußten Glenda und Sir James, was das zu bedeuten hatte. Dieser Test mußte einfach sein. Wahrscheinlich hätten auch sie nicht anders gehandelt.
Auch Suko schaute mich an. Er hatte es am besten, denn er saß mir direkt gegenüber.
Seine Augenbrauen wanderten aufeinander zu, als er das Kreuz erblickte, wie es aus dem Hemdausschnitt rutschte. Dabei bewegte er seine Lippen, sagte aber kein Wort.
Das Kreuz lag auf meiner Hand. Ich hatte sie zu einer halben Faust gekrümmt und schob sie über den Schreibtisch. Sie und das Kreuz glitten auf Suko zu.
Dabei schaute ich ihn auffordernd an und gab ihm mit einem Blick zu verstehen, was er tun sollte.
Noch zögerte er.
»Nimm es«, flüsterte ich und bewegte die Hand zuckend in eine Richtung. Auch ich stand unter Strom, und der Schweiß lag auf meinem Gesicht wie ein glänzender Spiegel. Ich bewegte die Augen zwinkernd, sie brannten bereits, aus meinem Mund drang der Atem stoßweise.
»Nimm es…«
Es war ein letzter Test. Schon jetzt war ich davon überzeugt, daß sich nicht der Teufel in der Gestalt des Jungen verbarg. Er war auch nicht von ihm beeinflußt worden.
Suko begriff.
Mit spitzen Fingern faßte er das Kreuz an. Er schreckte nicht zurück, es blieb alles normal, dann griff er fester zu und hob das Kreuz samt Kette aus meiner Hand.
Nicht nur ich atmete auf, nicht nur mir fiel ein Stein vom Herzen, auch den beiden anderen.
Zu dritt beobachteten wir den Jungen, dem das Kreuz zu gefallen schien, denn er verzog die Lippen zu einem Lächeln, als wollte er den Gegenstand so willkommen heißen.
»Wenigstens das ist uns erspart geblieben«, sagte Sir James und räusperte sich. »Es hätte auch schlimm ausgehen können. Das Seelenschwert scheint tatsächlich zwei Seiten zu haben.«
»Aber auch mit dieser hier komme ich nicht zurecht«, sagte ich. »Es ist einfach nicht mehr zu begreifen.«
Ich erntete keinen Widerspruch und nahm das Kreuz wieder entgegen, das mir Suko in die Handfläche legte. Ich hängte es um und hörte Sir James sagen: »Jetzt sind wir kaum weiter als zuvor. Daß er hier ist, hat etwas zu bedeuten, John, und wir müssen herauskriegen, weshalb uns Asmodis den Jungen geschickt hat.«
»Das wird schwer werden.«
»Ich weiß, hoffe aber, daß mein Übersetzer etwas aus ihm herausholt. Er wird gleich kommen, ich habe versprochen ihn abholen zu lassen, mit Blaulicht
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