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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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gesessen haben.« Herrick deutete mit dem Daumen über die Schulter, wo der Tote unter dem Tuch lag.
    »Ob es möglich wäre, dass wir kurz mit ihr sprechen?«, fragte Nicole.
    »Nein. Sie schläft. Doc Flanders hat ihr was gespritzt und sie gleich mit in seine Praxis genommen«, antwortete Herrick. Seine Kopfbewegung bedeutete, dass die Arztpraxis auf der anderen Seite des Flüsschens lag. »Abgesehen davon - warum wollen Sie überhaupt mit ihr reden? Was haben Sie mit dieser ganzen Angelegenheit zu schaffen?«
    »Wir kennen vielleicht das erste Opfer des Wolfes«, behauptete Zamorra geradeheraus.
    Nicole gab ihre Verwunderung mit keiner noch so geringen Regung preis. Sie waren ein bestens aufeinander eingespieltes Team.
    »Sie meinen- ›Rotkäppchen‹?« Herricks dichte Augenbrauen rutschten vor Erstaunen etwas höher.
    »So wurde sie in der Zeitung genannt, ja.« Nicole nickte.
    »Zugegeben, die Beschreibung des Opfers in den Zeitungsberichten war sehr vage«, spann Zamorra den Faden weiter, »aber ich würde gerne einen Blick auf das Mädchen werfen. Deswegen wollten wir ohnehin bei Ihnen vorstellig werden, Sheriff.«
    »Sie glauben, Sie können das Opfer identifizieren?«
    »Das werden wir wissen, sobald wir die Tote gesehen haben.«
    »Na, warum nicht? Ich sag Ihnen was - fahren Sie mir einfach hinterher. Wir müssen den Toten ohnehin im Leichenschauhaus in Rumford abliefern, und hier gibt es nichts mehr zu tun.«
    Herrick beauftragte Deputy Wisconsky, für den Abtransport der Leiche und den allgemeinen Aufbruch zu sorgen. Der junge Mann tippte sich zackig an die Hutkrempe, schnarrte ein »Yessir!« und stiefelte von dannen.
    »Haben Sie denn schon alle Spuren gesichert?«, erkundigte sich Zamorra und fügte rasch hinzu, damit Herrick nicht auf die Idee kam, er würde seine Arbeitsweise kritisieren oder ihm unterschwellig mangelnde Sorgfalt vorwerfen: »Ich meine, es muss doch ziemlich schwierig sein, den Tatort abzusuchen, wenn so viele Zuschauer zugegen sind, oder?«
    Der Sheriff winkte ab. »Die Sachlage ist klar. Little Red Riding Hood und Carl Parmalee sowie seine Ziegen sind einem Wolf zum Opfer gefallen. Wahrscheinlich ein Einzelgänger, seiner Größe nach wohl ein ziemlich alter Bursche, dem's in Kanada zu langweilig geworden ist. Es ist zwar ungewöhnlich, dass es ihn ausgerechnet hier runter in unsere Gegend gezogen hat, aber es ist nun mal so.«
    »Und was gedenken Sie in diesem Fall zu unternehmen?«, fragte Nicole.
    Herrick hob die breiten Schultern. »Es gibt keinen ›Fall‹, keinen jedenfalls, für den meine Leute und ich oder die Kollegen von der Polizei zuständig wären. Aber ich werde natürlich bei den State Rangers darauf drängen, dass man sich der Sache schleunigst annimmt. Könnte mir allerdings vorstellen, dass sich ein paar Männer aus dem Ort«, er sah mit bezeichnendem Blick über den Fly Creek hinüber, »ihre Gewehre schnappen werden, um sich selbst darum zu kümmern.«
    Zamorra nickte sorgenvoll. »Das steht natürlich zu befürchten.«
    »Ach, was soll da zu befürchten sein? Der Wolf ist vermutlich sowieso schon verletzt. Parmalee hat ihm eine Schrotladung in den Balg gejagt. Seine Flinte hat er jedenfalls einmal abgefeuert, bevor's ihn erwischte.«
    »Haben Sie Blut des Wolfes gefunden?«
    Herrick lachte hart auf. »Sie haben vielleicht Humor, Mister. Wie wollen Sie in diesem Morast«, er deutete zu Boden, »Blutspuren sichern? Und da drinnen«, jetzt zeigte er zum Stall hin, »gibt's so viel Blut, dass die Laborratten eine Woche oder länger damit beschäftigt wären, Proben auszuwerten und zuzuordnen. -Kommen Sie, wir ziehen ab.«
    »Wie viele Tiere hat der Wolf eigentlich geschlagen?«, fragte Zamorra auf dem Weg zu den Fahrzeugen. Die Frage kam ihm in den Sinn, ohne dass er den Grund dafür hätte benennen können.
    »Auch wenn's schlimmer aussieht«, sagte der Sheriff, »waren es doch nur acht. Aber die hat das Biest dafür förmlich in der Luft zerrissen.«
    »Acht?«
    »Yeah. Ein Muttertier und sieben Zicklein. - Also, fahren Sie mir nach.« Lloyd Herrick stieg in seinen Chevrolet Tahoe.
    »Erst Rotkäppchen…«, begann Nicole, als auch sie wieder in ihrem Wagen saßen.
    »…und dann die sieben Geißlein inklusive Mutter Geiß«, vollendete Zamorra den gemeinsamen Gedankengang.
    »Schon komisch - wenn auch nicht lustig«, meinte Nicole, während sie dem Sheriff nachfuhr. »Irgendeine Idee, was das zu bedeuten haben könnte?«
    Zamorra schüttelte langsam den Kopf.

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