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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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Bestattungsinstituts den Kunststoffsarg, in dem Carl Parmalee lag, aus dem Leichenwagen und schafften ihn auf einer Rollbahre ins Leichenschauhaus. Zamorra und Sheriff Herrick folgten ihnen.
    »Wurde die Tote bereits untersucht?«, wollte Zamorra wissen, während er sich umsah.
    Der Obduktionsraum war zweckmäßig schlicht eingerichtet, Wände und Boden gekachelt. In der Mitte stand ein metallener Untersuchungstisch mit Ablaufrinnen, daneben aufgereiht Skalpelle, Knochensäge und so weiter. Aus der Aufbahrungshalle nebenan drang Orgelmusik herüber und schuf eine unheimliche Atmosphäre in diesem kleinen Reich des Todes.
    »Natürlich«, antwortete Herrick. »Mit der Bestattung wird es aber noch ein Weilchen dauern. Vermutlich werden sich die Behörden erst mal darüber streiten, wer die Kosten dafür übernimmt, in der Hoffnung darauf, dass noch jemand aufkreuzt, der das Mädchen identifiziert. Damit wäre die Tote dann dessen Problem.«
    Er hängte ein sparsames Grinsen an, das Zamorra erwiderte.
    »Wir werden sehen«, meinte er. »War an der Toten, abgesehen von ihren Verletzungen, irgendetwas… Auffälliges?«
    »Auffälliges?« Der Sheriff hob die breiten Schultern. »Nicht, dass ich wüsste. Das heißt, nass war sie, klatschnass.«
    »Hat es Freitagnacht geregnet?«
    »Nicht mehr. Bis Mittwoch allerdings hatten wir die reinste Sintflut in der Gegend. Vermutlich ist das Mädchen auf der Flucht vor dem Wolf in den Bach gestürzt.«
    »Gab es denn entsprechende Spuren?«
    »Wir haben keine gefunden.«
    »Haben Sie danach gesucht?«
    »Zum Teufel, was soll die Fragerei? Es spielt doch keine Rolle, warum die Tote trief nass war!«
    »Ihr Wort in Gottes Ohr… Dürfte ich jetzt einen Blick auf das Mädchen werfen?«
    Herrick knurrte irgendetwas und verließ den Obduktionsraum. Durch einen gefliesten Gang, in dem die Orgelmusik lauter widerhallte, erreichten sie einen Raum, in dessen Wände zehn Kühlschubladen eingelassen waren.
    Die beiden Angestellten des Unternehmens hatten den Leichnam von Carl Parmalee gerade in einer davon verstaut und verließen die kalte Kammer.
    Vier der Schubfachfronten waren mit handschriftlichen Zetteln versehen. Herrick las die Namen, dabei fragte er: »In welchem Verhältnis stehen Sie überhaupt zu der Toten - vorausgesetzt, es handelt sich um die richtige Person?«
    »In keinem verwandschaftlichen«, erwiderte Zamorra ausweichend. Er nutzte die Ablenkung des Sheriffs, um das Amulett von der Kette zu lösen. Dann verbarg er die Silberscheibe in der flachen Hand, die er in der Hosentasche verschwinden ließ.
    »Da drin ist sie«, sagte der Sheriff, und Zamorra war einigermaßen froh darüber, dass Herrick nicht weiter nachgefragt hatte. Lügen war ihm zuwider.
    Er trat neben den Sheriff, damit er ihm an der offenen Schublade nicht gegenüberstehen musste. So würde es ihm leichter fallen, die Tote von Herrick unbemerkt mit dem Amulett zu berühren. Wenn Merlins Stern eine Reaktion zeigte, würde er sich dem Sheriff natürlich erklären müssen. So lange allerdings nicht feststand, ob tatsächlich Magie, in welcher Form auch immer, im Spiel war, hielt Zamorra seine Karten lieber verdeckt. Menschen, die nie zuvor mit dem Übersinnlichen in Berührung gekommen waren, reagierten oft abweisend, wenn man sie in bloßer Theorie damit konfrontierte. Wenn sie jedoch selbst Augenzeuge eines unerklärlichen Vorgangs wurden, stieg ihre Akzeptanz mitunter sprunghaft an.
    »Fertig?«, fragte Herrick, die Hand auf dem Griff der Schublade.
    Zamorra nickte und der Sheriff zog die Kühllade heraus.
    Die Tote lag unter einem Tuch. Nur ihr Kopf war zu sehen. Das Gesicht war von kalkiger Blässe, dunkle, bläulich umrandete Kratzwunden zeichneten sich darauf ab.
    Trotzdem war das Mädchen immer noch hübsch, fand Zamorra, bildhübsch sogar. Zu Lebzeiten musste es von nachgerade puppenhafter Schönheit gewesen sein. Die Konturen unter dem Leichentuch schienen fast zu üppig für eine so junge Frau.
    Wie zufällig legte Zamorra die Hand mit dem Amulett auf den Rand der Lade.
    »Und?«, fragte der Sheriff.
    Zamorra fixierte das Gesicht der Toten und tat so, als sei er noch nicht ganz sicher, ob er sie kannte. Dabei schob er das Amulett unter seiner Hand näher zu dem Mädchen hin, nicht zu hastig, aber auch nicht zu langsam. Ewig konnte er Herrick schließlich nicht hinhalten.
    Das musste er auch nicht, Merlins Stern erwärmte sich!
    Zamorra stellte sich etwas schräg, um dem Sheriff die Sicht zu

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