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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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»Nein, nicht die leiseste. Aber vielleicht fällt der Groschen ja, wenn ich ›Rotkäppchen‹ sehe.«
    »Apropos - das war ja frech geflunkert von wegen, ›Wir kennen vielleicht das erste Opfer des Wolfes‹.«
    »Gar nicht«, verteidigte sich Zamorra. »Kannst du denn mit Sicherheit ausschließen, dass wir das Mädchen kennen?«
    »Nein, das nicht, aber…«
    »Kein Aber.« Zamorra zwinkerte ihr mit knappem Grinsen zu, und wurde dann wieder ernst. »Folgender Vorschlag, Cherie: Ich setze dich und unser Gepäck bei der Pension ab, du organisierst uns schon mal ein Zimmer. Und während ich mir in Rumford die Tote ansehe, könntest du dich hier vor Ort ein bisschen umschauen, vielleicht auch noch einmal auf der Farm, so bald sich die Neugierigen verzogen haben.«
    »Ob es Sinn machen würde, Mrs. Parmalee zu befragen?«
    »So lange sie unter Schock steht, wohl kaum. Vielleicht könnten wir sie unter Hypnose zu einer brauchbaren Beschreibung des Wolfs und weiterer Details bewegen, aber eigentlich möchte ich der armen Frau eine Befragung nicht zumuten, wenn es nicht unbedingt nötig ist.«
    Sie hatten die Pension Lucinda's Bed & Stew vorhin schon auf dem Weg zur Parmalee-Farm passiert. So fanden sie das schmucke zweistöckige Haus mit der weißen Holzfassade und den verspielten Erkern und Türmchen jetzt problemlos wieder. Nicole hielt, sie trugen das leichte Gepäck zur Tür, dann verabschiedeten sie sich und Zamorra brach auf, um eine Tote zu besuchen.
    ***
    Die Menschenmenge, die Parmalees Farm umlagert und bevölkert hatte, löste sich allmählich auf, nachdem der Sheriff und seine Männer sowie die Cops abgezogen waren. Keiner der Männer und Frauen war aus morbider Schaulust hier gewesen, sondern um Abschied zu nehmen von einem der ihren. Wie die meisten Einwohner von Fly Creek war auch Carl Parmalee hier geboren worden und aufgewachsen, hatte sein ganzes Leben in dem kleinen Ort zugebracht. So etwas verband, und wenn dieses Band der Gemeinschaft an einer Stelle riss, spürten alle den Schmerz. Zumal wenn es auf so furchtbare Weise geschah wie durch den Tod von Parmalee.
    Bedrückt marschierten die Dorfbewohner davon. Jenseits des Creeks löste sich der Trauerzug erst in Gruppen und dann in Grüppchen auf, als jeder seines eigenen Weges und nach Hause ging.
    Amory Stagg, John Dancey und Bill Pelham waren unter den Letzten, die den Schauplatz des blutigen Geschehens verließen. Langsam setzten sich die drei »Stammesältesten«, wie man sie ebenso scherzhaft wie respektvoll nannte, in Bewegung.
    »Wisst ihr, an was ich denken muss?«, fragte Dancey, die Hände in den Hosentaschen.
    Pelham nickte. »Kann's mir vorstellen. Mir ist's auch schon in den Sinn gekommen - riecht verdammt nach damals, hm?«
    Dancey lachte kurz und freudlos auf, ein rostiger, raspelnder Laut wie ein Husten. »Ja, genau. Der arme Bertie hat damals genauso ausgesehen wie heute Carl Parmalee.«
    Amory Stagg sagte nichts dazu. Aber auch er hatte an damals gedacht.
    Genaugenommen hatte es in weit über 70 Jahren kaum einen Tag gegeben, an dem er nicht daran dachte. Er hatte versucht, was seinerzeit passiert war, zu vergessen. Ganz losgeworden war er die Erinnerung nie. Irgendwie hatte sie ihn immer wiedereingeholt und jetzt…
    Stagg seufzte leidvoll.
    Jetzt hatte er das Gefühl, als hätte ihn nicht bloß die Erinnerung eingeholt, sondern die Vergangenheit selbst, und nicht nur ihn allein.
    »Ist dir nicht gut, Mory?«, fragte Dancey. »Stöhnst ja wie ein alter Mann, mein Junge.«
    John Dancey war mit 98 Jahren der Älteste des Trios - und unverschämterweise der Rüstigste.
    Stagg winkte müde ab. »Nein, nein, alles in Ordnung. Ist mir wohl nur auf den Magen geschlagen, was dem armen Carl widerfahren ist. Und um seine Frau tut's mir natürlich auch verflucht Leid.«
    »Hm«, machte Pelham mitfühlend, »so jung und schon Witwe.«
    Trotzdem Gale Parmalee die Fünfzig bereits hinter sich gelassen hatte, war sie in den Augen der »Stammesältesten« noch ein Mädchen. Immerhin waren sie alle drei schon im besten Mannesalter gewesen, als die kleine Gale das Licht der Welt erblickt hatte.
    »Na kommt!«, rief Dancey munterer, als ihm zumute war, »gehen wir rüber zu Lizzie. Sonst denken die Leute noch, uns sei auch was zugestoßen.« Er lachte wieder sein Altmännerlachen, kurz und rau.
    »Geht ihr zwei ruhig«, sagte Stagg. »Ich komm vielleicht später nach. Will eben noch mal daheim vorbei und ein bisschen verschnaufen.«
    »Ist wirklich

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