Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
071 - Gefangen in den Bleikammern

071 - Gefangen in den Bleikammern

Titel: 071 - Gefangen in den Bleikammern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
Vom Netzwerk:
zurück in dein Zimmer! Es wird Zeit, daß du erwachsen wirst."
    Er begleitete mich zu meinem Zimmer. Ich sperrte die Tür ab, setzte mich nieder und dachte lange nach. Ich war sicher, daß ich nicht geträumt hatte; ich war hellwach gewesen. Und wieder dachte ich an Selva und ihre Warnung.
    „Bald ist es soweit", hatte das wolfsartige Geschöpf gesagt. „Bald erfüllt sich Mephistos Rache."
    Diese Worte ergaben für mich keinen Sinn. Mephisto war der Teufel. War das Geschöpf vielleicht ein von Satan geschickter Bote gewesen? Fragen, auf die ich keine Antwort fand. Morgen würde mein Vater kommen. Ich würde ihn bitten, daß ich die Insel verlassen durfte, denn ich fürchtete mich hier.
    Ich blies die Kerze aus und schlich zum Fenster. Vorsichtig zog ich die Vorhänge ein kleines Stück zur Seite und lugte hinaus. Der Garten war leer. Ich blickte einige Minuten hinaus. Als sich nichts rührte, ging ich zu Bett.

    Als es hell wurde, stand ich auf. Ich kleidete mich rasch an und verließ mein Zimmer. Im Haus war es ruhig. Ich trat in den Garten hinaus und ging durch den Torbogen in Richtung der Felder. Dann warf ich einen Blick zum alten Landhaus zurück. Es war ein unregelmäßiger Bau; die Fassade war grauweiß, und überall bröckelte der Verputz ab.
    Ich ging über die Felder und genoß die kühle Luft, die vom Meer her wehte.
    Torcello war lange, bevor Venedig erbaut wurde, besiedelt gewesen. Hier hatten sich die Flüchtlinge versammelt, die zuerst von den Hunnen Attilas verfolgt worden waren und sich später vor den Langobarden in Sicherheit brachten.
    Es versprach ein heißer Tag zu werden. Der Himmel war dunkelblau und wolkenlos. Ich setzte mich in den Schatten eines verkrüppelten Baumes und dachte nach. Nach einigen Minuten stand ich auf und spazierte weiter. Ich stieg einen kleinen Hügel hoch und blickte über das Meer. Dann wandte ich mich nach rechts. Ich wollte langsam zum Landhaus zurückgehen.
    Nach wenigen Schritten blieb ich stehen. Aus einem Graben ragte eine kleine Hand heraus. Vorsichtig schlich ich näher. Die Hand bewegte sich nicht. Beim Näherkommen erkannte ich, daß die Hand verkrampft war. Ich blickte in den Graben. Mein Magen rebellierte.
    „Angela!"
    Das Mädchen lag auf dem Rücken. Das Mieder hing in Fetzen von ihrem Körper. Der kleine Busen wies unzählige Bißwunden auf. Ihr Mund war verzerrt, die dunklen Augen waren weit aufgerissen und gebrochen.
    Wie von tausend Teufeln gehetzt, rannte ich zum Haus zurück. Als ich den Garten betrat, kam eben Jacopo aus dem Haus., Ich stürmte auf ihn zu, blieb vor ihm stehen und rang keuchend nach Luft. „Angela!" japste ich. „Sie ist - sie ist tot."
    „Bist du sicher?" fragte Jacopo wenig überzeugt.
    „Ja", stieß ich hervor. „Ich ging spazieren und fand sie in einem Graben. Sie sieht grauenvoll aus, so als wäre sie von Hunden..." Ich biß mir auf die Lippen. „Sie wurde totgebissen."
    „Spielt dir da nicht wieder deine blühende Fantasie einen Streich?“ fragte er skeptisch.
    „Nein", sagte ich heftig. „Ich führe dich hin."
    „Ich glaube, daß es besser ist, wenn ich allein hingehe."
    „Du findest die Stelle nicht", warf ich ein.
    Ich trank ein Glas Milch, dann führte ich Jacopo durch die Felder.
    „Dort ist der Graben", sagte ich und blieb stehen.
    Jacopo ging weiter, stieg in den Graben und schüttelte den Kopf.
    „Da liegt niemand", rief er mir zu.
    Ich rannte los. Er hatte recht. Angela lag nicht im Graben. Sie war verschwunden. Ich untersuchte den Boden, fand aber keine Spuren. Der Sand war glatt.
    „Jetzt reicht es mir aber", sagte Jacopo böse. „Erst die Erzählung mit dem Wolf, der angeblich etwas zu dir gesagt hat - und jetzt das Märchen von Angelas Tod. Verschone mich bitte in Zukunft mit deinen Fantasiegeschichten."
    Ich antwortete nicht. Was hätte ich auch sagen sollen? Ich hatte das tote Mädchen gesehen. Es würde sich herausstellen, ob sie noch lebte.
    Schweigend folgte ich meinem Bruder.
    Angela blieb verschwunden. Ich fragte einige der Bediensteten, ob sie das Mädchen gesehen hätten, doch sie verneinten. Keiner schien sich Sorgen zu machen. Sie verschwindet oft für einige Tage, wurde mir gesagt.
    Nach dem Mittagessen traf mein Vater ein. Er begrüßte mich nur kurz, dann zog er sich mit Jacopo in ein Zimmer zurück. Sie unterhielten sich fast eine Stunde lang.
    Ich bestürmte meinen Vater, daß ich von der Insel fort wollte, und erzählte ihm von meinem nächtlichen Erlebnis und der toten

Weitere Kostenlose Bücher