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071 - Gefangen in den Bleikammern

071 - Gefangen in den Bleikammern

Titel: 071 - Gefangen in den Bleikammern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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schien meine Gedanken zu erraten.
    „Du darfst kein Mitleid mit ihr haben", sagte er hart. „Sie bekommt die verdiente Strafe."
    Langsam spürte ich die Wirkung des Weines. Mein Kopf wurde schwer, und meine Bewegungen waren unsicher. Ich trank noch ein Glas und stand schwankend auf.
    Mein Bruder stützte mich. Er brachte mich in mein Zimmer und kleidete mich aus. Wenige Sekunden später war ich eingeschlafen.

    Ich wurde krank, hatte Fieber, und Alpträume verfolgten mich. In meinen unheimlichen Träumen sah ich Selva, die gefoltert wurde. Es war immer der gleiche Traum. Deutlich sah ich ihr schönes Gesicht vor mir, das schweißbedeckt war. Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Nasenflügel bebten, und die Lippen formten meinen Namen. Ich hörte sie schreien: Hilf mir, Michele! Rette mich! Zwei Ärzte untersuchten mich. Sie brauten einige scheußlich schmeckende Getränke, die sie mir einflößten; danach fühlte ich mich nur noch miserabler.
    Mein Vater unterhielt sich mit den Ärzten, doch ich verstand nur Brocken ihrer Unterhaltung. Ich warf mich im Bett hin und her und stöhnte und schrie. Pietro kümmerte sich um mich. Er wusch meinen Körper und wischte mir immer wieder den Schweiß von der Stirn.
    Am Abend wurde ich in warme Decken gehüllt und auf eine Bahre gelegt. Ich nahm nur undeutlich alles wahr. Dann hörte ich Wasserrauschen und schlug die Augen auf. Ich befand mich auf einer Gondel. Mein Bruder saß neben mir.
    „Wohin bringst du mich?" fragte ich krächzend.
    „In unser Landhaus auf Torcello", antwortete er.
    „Nein!" keuchte ich und bäumte mich auf. „Ich will nicht hin. Ich will in Venedig bleiben. Ich will zu Selva."
    „Beruhige dich!" sagte Jacopo sanft. „In wenigen Tagen bist du gesund."
    Ich wollte noch etwas sagen, doch es gelang mir nicht. Meine Zunge war angeschwollen. Ich hatte Durst. Jacopo hielt eine Flasche an meine Lippen, und ich trank gierig.
    Dann schlief ich wieder ein. Ich hörte das gleichmäßige Klatschen der Ruder und unterdrückte Stimmen, fühlte mich aber zu schwach, um die Augen zu öffnen.
    Das Boot legte an, und ich wurde an Land getragen. Irgendwo wieherte ein Pferd. Die Bahre wurde auf ein Pferdefuhrwerk gestellt, und der Wagen fuhr langsam an.
    Als ich das nächste Mal erwachte, fand ich mich in einem breiten Himmelbett wieder. Die schweren Vorhänge waren zurückgezogen. Auf dem Tisch brannte eine Kerze.
    Mühsam richtete ich mich auf, schlug die Decke zurück und setzte mich hin.
    Ein junges Mädchen saß am Tisch. Sie war eingenickt.
    „Hallo!" sagte ich.
    Das Mädchen zuckte zusammen und sprang auf. Sie war ein kleines hübsches Ding, kaum älter als ich. Ihr Haar war pechschwarz. Sie trug ein enges Mieder und einen bodenlangen, dunklen Wollrock.
    „Ich hole Euern Bruder, Herr", sagte sie.
    „Nein", flüsterte ich. „Wasser!"
    Sie reichte mir eine Schale, und ich trank gierig, nickte ihr dankbar zu, und sie stellte die Schale auf den Tisch zurück.
    „Wie ist dein Name?"
    „Angela", sagte sie und senkte den Kopf.
    Ich blickte mich im Zimmer um. Es lag im Erdgeschoß des Landhauses meines Vaters. Ein düsteres Zimmer, so wie das ganze Haus alt und unheimlich war.
    „Wollt Ihr etwas essen, Herr?"
    „Eine Tasse Suppe", sagte ich und legte mich zurück.
    Das Mädchen eilte aus dem Zimmer. Einige Minuten später wurde die Tür aufgerissen, und mein Bruder trat ins Zimmer.
    „Na endlich!" sagte er lächelnd. „Ich glaubte schon, daß du überhaupt nicht mehr aufwachen würdest."
    Er setzte sich zu mir aufs Bett.
    „Wie lange habe ich geschlafen?" fragte ich.
    „Zwei Tage", antwortete er. „Wie fühlst du dich?"
    „Schwach", sagte ich.
    Er streckte die rechte Hand aus und fühlte meinen Puls, dann strich er über meine Stirn.
    „Du hast kein Fieber mehr", sagte er zufrieden.
    Das Mädchen brachte einen Teller Suppe und ein großes Stück Brot. Gierig trank ich die Suppe und aß einige Bissen Brot. Ich fühlte mich wesentlich besser.
    „Was ist mit Selva?" fragte ich. Jacopos Gesicht verdüsterte sich.
    „Sie ist in Untersuchungshaft."
    „Hat sie gestanden?"
    Er schüttelte den Kopf. „Nein. Sie behauptet, daß die Beweise gefälscht sind."
    „Ich will mit ihr sprechen", sagte ich.
    „Das ist nicht möglich", sagte Jacopo abweisend. „Du mußt Selva vergessen, Michele. Je früher, desto besser."
    „Ich kann sie nicht vergessen", schrie ich.
    „Sie hat dich verhext", knurrte Jacopo und stand auf. „Du schläfst jetzt und denkst nicht

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