0711 - Die Nacht der Wölfe
Existenz, dass sie jeden Hinweis darauf vernichten wollten.
Unmittelbar vor Jorge knallte ein Fernseher auf die Straße und implodierte in einer Stichflamme.
»Pass doch auf!«, schrie er dem Werfer entgegen, der hastig im ersten Stock eines Hauses verschwand.
Jorge blieb stehen. Er verstand nicht, warum sie einen solchen Hass empfanden. Nach seiner Veränderung hatte er nur den Wunsch verspürt, seinem Herrn zu dienen, egal in welcher Form. Das, was er hier sah, erinnerte ihn jedoch mehr an den Blutrausch auf der McDermond-Ranch.
Der Gedanke an Blut brachte das Ziel seiner Mission wieder in den Vordergrund. Außer Gegenständen und Tulis-Yon sah er nichts auf der Straße. Keine Menschen, kein Blut. Er wusste, dass sie die Stadt nicht verlassen haben konnten. Einen oder zwei hätten Kuang-shis Diener vielleicht übersehen, jedoch keine fünfzig.
Also mussten sie noch irgendwo sein, aber wo?
Nachdenklich betrachtete er die Häuser. Der vordere Teil der Stadt befand sich bereits in der Hand seiner Krieger, ohne dass sie einen Erfolg verbucht hatten. Unmittelbar vor ihm stürmte einer in eine Bar, der andere in eine kleine Polizeistation.
Jorges Blick glitt über die Dächer und blieb an einem kleinen Turm hängen, der mit einem aufgemalten Kreuz verziert war. Er sah eine Bewegung zwischen den Holzbalken.
Menschen sind so sentimental, dachte er wölfisch lächelnd.
Sein lautes Heulen brachte die Tulis-Yon dazu, in der Bewegung zu verharren und sich ihm zuzuwenden.
»Sie sind in der Kirche!«, schrie er.
***
Nicole hörte das Heulen und biss sich auf die Unterlippe.
Sie hatte Yellowfeather zwar zur Bar gehen, aber nicht wieder zurückkommen sehen. Er musste immer noch draußen sein, dort, wo jetzt die Tulis-Yon wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe in die Stadt stürmten.
Sie widerstand dem Drang, den Blaster abzufeuern. Noch war die Entfernung zu groß, und wenn sie die Bewegungen der Wolfsköpfigen richtig einschätzte, waren die noch mit der Zerstörung der Häuser beschäftigt.
Es brachte nichts, sie zu früh auf die Kirche aufmerksam zu machen. Je länger die Ruhe vor dem Sturm dauerte, desto besser war das für alle Beteiligten.
»Was ist denn da draußen los?«, fragte eine ältere männliche Stimme von unten. Es war zu dunkel, um zu erkennen, um welchen Einwohner es sich handelte.
»Die- Rocker sind hier«, antwortete Nicole, die sich im letzten Moment an die Lüge erinnerte. »Sie werfen Scheiben ein.«
Sie erwähnte nicht, dass sie auch alles zerstörten, was sie finden konnten. Niemand sollte auf die Idee kommen, wegen ein paar Wertsachen die Kirche zu verlassen.
»Verdammte Sauerei. Ich hoffe, sie erwischen den Sheriff nicht.«
»Das hoffe ich auch.«
Nicole beugte sich vor. Sie glaubte, hinter der Bar schemenhafte Bewegungen zu sehen, konnte aber nicht erkennen, was dort geschah.
»Was machen Sie und Ihr Mann eigentlich in Dusty Heaven?«, fragte die Stimme.
»Wir sind nur auf der Durchreise.«
Sie verzichtete darauf, dem älteren Mann zu erklären, dass sie nicht verheiratet waren. Auf dem Land war man in solchen Dingen noch sehr eigen.
»Da haben Sie sich aber keinen guten Tag ausgesucht. Hier ist es eigentlich sehr ruhig, wissen Sie. Ich bin 1928 geboren und hab' mein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht, aber so was wie heute hab' ich noch nicht erlebt.«
Nicole hörte ihm kaum noch zu.
Die Tulis-Yon ließen von ihren Zerstörungen ab und versammelten sich auf der Straße. Dann liefen sie plötzlich los.
Genau auf die Kirche zu.
»Sie kommen«, rief Nicole über den Monolog des alten Mannes. »Bleiben Sie alle ganz ruhig. Es kann Ihnen nichts passieren.«
Sie zog den Blaster und überprüfte die Energieanzeige. Fünfundneunzig Prozent. Sie wusste nicht, wie viele Tulis-Yon sie damit töten konnte, aber für die zwanzig oder dreißig, die jetzt auf sie zustürmten, würde es nicht reichen.
Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen. Sie dachte an den Dhyarra-Kristall, der noch im Gepäck des Geländewagens lag. In der Hektik hatte sie nicht daran gedacht, ihn herauszuholen. Sie hoffte, dass er wenigstens Zamorra etwas nutzte.
Nicole schob den Gedanken nach hinten. Mit all diesen Problem würde sie sich befassen, wenn es soweit war.
Die ersten Tulis-Yon erreichten die Kirche. Sie bremsten vor der Tür nicht ab, sondern warfen sich mit solcher Wucht dagegen, dass Nicole die Erschütterungen bis in den Turm spüren konnte. Die Menschen in der Kirche schrien.
Die
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