0711 - Die Unendlich-Denker
Mein Lehrer Concliva könnte das. Soll ich ihn zur Beratung hinzuziehen? Nein. Will Entdeckung für mich behalten.
Aber wenn die beiden Muster weiterhin so sorglos sind, werden sie bald von allen in Tomphus entdeckt. Gehe weiter die Tafthyra hinunter, tue äußerlich so, als ob nichts geschehen wäre.
Abstrahiere aber, daß beide Muster tanzend hinter mir bleiben.
Biege in die Kypla ein, verschnaufe etwas. Wenn der Gang ins Meditationszentrum nur nicht so beschwerlich wäre! Mein Geist ist so quirlig, daß er mir vorauseilen könnte. Nur der Körper macht da nicht mit.
Was für eine Ironie des Nichts: Der Geist von Unendlichdenkern in verkrüppelten Körpern.
Die Professoren lehren uns Jungen immer, daß man sein Los hinnehmen soll - nur das zeige einen wahrhaftig großen Geist.
Aber wir Jungen sind eben keine Weisen, und wir wissen noch längst nicht alles, sondern müssen weiterforschen - und dazu gehört es auch, daß wir uns über unsere Existenz Gedanken machen.
Dazu gehören auch solche einbahnige Gedanken wie der Hader mit unserer körperlichen Unvollkommenheit.
Ein schöner Geist in einer häßlichen Hülle, hat einmal einer meiner Studentenkollegen gesagt. Profan, ich weiß, aber man muß alles durchmachen. Das ist der Weg der Evolution.
Unser Volk wurde ja nicht zum Unendlichdenken geboren. Auch wir wälzten uns einst im Urweltschlamm. Aber davon wollen die Weisen nichts mehr wissen, sie eilen der Evolution mit ihrem Absolutdenken voraus.
Glaube selbst nicht einmal an das Absolute. Wenn ein Volk behauptet, das Absolute erreicht zu haben, dann wird es stagnieren und in weiterer Folge degenerieren.
Und irgendwann wird es sich wieder im Urschlamm suhlen und behaupten, das sei das Absolute.
Beende kurze Verschnaufpause, setze meinen Weg durch die Kypla fort. Die beiden unbekannten Muster tanzen wieder hinter mir nach.
Sollen sie. Werde sie vorerst ignorieren. Muß zuerst meditieren, bin vom Abstrahieren wie ausgelaugt.
Da ist das Meditationszentrum. Muß was tun, damit die tanzenden Gebilde mir nicht ins Allerheiligste folgen. Ein Nebengedanke: Möchte wissen, wie es im Innern der mehrdimensionalen Gebilde aussieht.
Blicke mit einem seitlichen Auge zurück, ziehe alle vier Nebenhirne zur Unterstützung heran. Bin ich erblindet, oder sind die beiden tatsächlich verschwunden?
Mir soll das recht sein. Hauptsache, sie versuchen nicht, mir ins Meditationszentrum zu folgen. Möchte nämlich nicht, daß sie von anderen entdeckt werden. Sie gehören mir allein. Habe sie als erster entdeckt. Möchte sie erforschen... Später. Zuerst das eine.
Betrete keuchend das Portal des Meditationszentrums.
Profaner Gedanke zwischendurch: Sollten von unseren Verbündeten bessere Straßen verlangen, damit der Weg von einem Ende der Stadt zum andern nicht so beschwerlich ist.
Dazu eine Anmerkung: Hätten schon längst Boden- und Luftfahrzeuge für den planetaren Verkehr erhalten können.
Angebot wurde einstimmig abgelehnt, da die fremddimensionalen Emissionen der Fahrzeugantriebe beim abstrahierten Denken stören.
Durcheile auf allen vieren die Halle und komme in den Freiraum innerhalb des Rundbaues. Hier bin ich nun im eigentlichen Meditationszentrum.
*
Bin nicht allein. Viele sind da. Zumeist Studenten wie ich.
Kümmere mich nicht um sie, will sie nicht in ihrer Konzentration stören. Gehe ebenfalls in mich.
Das Meditationszentrum wirkt wie ein Sammelbecken für das Nichts. Durch die besondere Anordnung der Bauwerke wurde eine unsichtbare Brücke über alle Dimensionen in die siebte geschlagen.
Frage mich keiner, wie das abstrakt-mathematisch vor sich geht. Bin nur ein Schüler, der gelehrig sein will.
Bin tief in mich gegangen. Kraft durchströmt mich. Gedanken verknoten sich zu phantastischen Gebilden. Sehe auf einmal ganz klar und deutlich ein entscheidendes Formengebilde vor mir. Eine neue Formel.
Verlasse, so schnell mich meine Beine tragen, das Meditationszentrum und eile zu meinem Lehrer.
Concliva ist beschäftigt. Er abstrahiert eine große Maschine.
Versuche, in sein Unendlichdenken einzusehen, verstehe aber überhaupt nichts von dem, was er abstrahiert Aber so weit bin ich doch schon, daß ich merke: Er abstrahiert etwas, das ein großer Segen für das Universum sein wird.
Und das macht mich glücklich.
Endlich hat Concliva Zeit für mich. Erkläre ihm meinen Plan.
Er scheint beeindruckt.
„Das werden wir abstrahieren, Eptrocur", sagt er mit seiner immer wohlwollend klingenden
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