0714 - Kinder der SOL
Rundrufanlage ein und sagte:"Wir sind zwischen den Sternen geboren, unsere Heimat ist die SOL.
Doch ohne Erde sind wir verloren, nur auf der Erde fühlen wir uns wohl."
Joscan Hellmut runzelte die Stirn.
Er fragte sich, ob dieses neue Gedicht die Antwort der Fremden auf seine Aufforderung zu Verhandlungen darstellte oder ob sie mit Hilfe der Hauptpositronik einfach nur einen terranischen Kinderreim durchgegeben hatten - ohne besonderen Grund.
Er war noch zu keinem Schluß gekommen, als die vertraute Umgebung der Hauptzentrale sich plötzlich veränderte.
Zuerst verblaßten die Bildschirme der Panoramagalerie, dann verschwammen die Konturen der Kontrollpulte. Danach verwandelte sich die normale Beleuchtung in ein grünliches Glimmen, in dessen ungewohntem und trüben Schein seltsame schemenhafte Gebilde durch die Zentrale schwebten.
Hellmut erschrak.
Sein geschulter Verstand erfaßte augenblicklich, was geschehen war.
Die BRESCIA war, weil sie ohne den Schutz der Hochenergie-Überladungsschirme geflogen war, von einem von Borghai ausgehenden Dimensionsbeben erfaßt und auf eine dimensional andere Existenzebene geschleudert worden.
Damit war das Schicksal des Kreuzers und seiner Besatzung besiegelt, denn soweit Joscan Hellmut wußte, waren Raumschiffe, die bei Dimensionsbeben verschwunden waren, niemals wieder in den Normalraum zurückgekehrt.
Als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung rechts von sich wahrnahm, fuhr der Kybernetiker erschrocken herum.
Fast fühlte er sich erleichtert, als er in wenigen Metern Entfernung die beiden Fremden stehen sah, die ihm schon einmal zu schaffen gemacht hatten.
Sie sahen in dieser veränderten, unwirklich erscheinenden Umgebung seltsam real aus und bildeten einen starken Kontrast zu den anderen Dingen in der Hauptzentrale.
Vielleicht, weil sie aus dieser Dimension stammen! schoß es Hellmut durch den Kopf.
„Haben Sie uns in diese Dimension entführt?" erkundigte er sich mit erzwungener Ruhe.
Als die Fremden nicht antworteten, schaltete er seinen Translator ein und wiederholte die Frage.
Doch auch diesmal sagten die beiden Fremden nichts. Sie wandten sich um und verließen die Hauptzentrale. Sie öffneten das Panzerschott auf ganz normale Art und traten auf den dahinter liegenden Gang hinaus.
Joscan Hellmut saß in seinem Kontursessel, starrte auf das Panzerschott, das sich hinter den Fremden wieder automatisch geschlossen hatte, und konnte sich lange Zeit nicht rühren.
Als er seine Fassung zurückgewann, brachte er nichts anderes heraus, als die alte Verwünschung der Kybernetiker: „Elektronen, Positronen und Hyperinpotronen!"
*
Joscan Hellmut erhob sich vorsichtig und bewegte sich langsam auf die Stelle zu, an der Romeo und Julia standen.
Die beiden Ableger von SENECA sahen allerdings nicht aus wie sonst, sondern wie Zerrbilder ihrer selbst.
Der Kybernetiker wußte auch darauf eine Erklärung.
In jeder Dimension - beziehungsweise, um den wissenschaftlich exakten Ausdruck zu gebrauchen, in jedem dimensional bestimmten und in seiner Art einmaligen Kontinuum - äußerte sich die Existenz der Materie auf spezifische und von Dimension zu Dimension verschiedene Art und Weise.
Darum mußte jedes materielle Gebilde, das von seiner eigenen Dimension in eine andere Dimension geriet, einen Anpassungsund Umwandlungsprozeß durchmachen, bevor es als integrierter Bestandteil der neuen Dimension gelten konnte.
Das traf aber nicht nur auf alle Erscheinungen zu, sondern auch auf alle Wahrnehmungen. Da der menschliche Wahrnehmungsapparat sich aber schneller auf eine veränderte Umwelt einstellen konnte als die materiellen Gebilde sich wandelten, vermochte der Mensch auch diejenigen Gegenstände und Personen, die mit ihm in eine andere Dimension geraten waren, nicht mehr in ihrer richtigen Erscheinungsform zu sehen.
So lautete, stark vergröbert, die wissenschaftliche Definition dessen, was Joscan Hellmut erlebte.
Er war sich allerdings klar darüber, daß diese Definition rein theoretischen Charakter hatte, denn niemand, der diese Theorie hätte beweisen können, war bisher in seine eigene Dimension zurückgekehrt. Jedenfalls war dem Kybernetiker nichts dergleichen bekannt geworden.
Er fragte sich, ob er unter diesen Umständen etwas verstehen würde, falls es ihm gelang, die beiden Roboter zu einem Gespräch zu bewegen.
Als er die Gebilde erreicht hatte, die seiner Meinung nach Romeo und Julia darstellten, blieb er stehen und sagte: „Ich bin Joscan.
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