0715 - Tanz der Messer
scheiden.
Zum Glück hatte man mich in einem Einzelzimmer untergebracht, so störte ich mit meiner Ungeduld wenigstens keine anderen Patienten.
Ich hatte einen Fernseher mit Fernbedienung, eine abgetrennte Waschgelegenheit und ein Telefon, das glücklicherweise in Reichweite stand.
Um mich persönlich machte ich mir keine Sorgen. Meine Gedanken drehten sich mehr um meinen Freund Suko, und ich fragte mich, wie es ihm wohl ergangen sein mochte.
Was er mitmachte, war für mich einfach unbeschreiblich. Er lief als Kind durch London, das Seelenschwert hatte ihn zweigeteilt, und hätte er nicht seinen Stab besessen, wäre es ihm nicht einmal möglich gewesen, normal zu reden. Dann hätte er sich uns als Klosterschüler präsentiert, wie er es einmal gewesen war.
Ein furchtbares Schicksal…
Und ich konnte ihm dabei nicht helfen. Ich konnte nichts, aber auch gar nichts für ihn tun.
Wer waren denn unsere Hoffnungen? Die Conollys? Jane Collins, die Horror-Oma etwa? Sie alle versuchten ihr Bestes, aber sie waren einfach nicht wirkungsvoll genug. Der einzigen Person, der ich etwas zutraute, war Shao, und daß sie am Ball bleiben würde, hatte sie ja bewiesen, als wir Suko aus diesem verdammten Hexenhaus hervorgeholt hatten.
Nur seinen Zustand hatten wir nicht ändern können, und das Seelenschwert gab es auch nicht mehr.
Ich konnte es drehen und wenden, die Lage war und blieb mehr als schrecklich.
Das Telefon riß mich durch sein Summen aus meinen Gedanken. Zum Glück schrillte es nicht. Nach dem dritten Läuten hielt ich den Hörer in der Hand, meldete mich und ärgerte mich darüber, daß meine Stimme so schwach klang.
»Wieder von den Toten erwacht, John?«
»Fast, Sir.«
Ich hörte das Lachen meines Chefs. »Jedenfalls habe ich Ihre Stimme erkannt, immerhin etwas.«
»Danke.«
»Und sonst?«
Ich lachte, aber es klang nicht gut. Ich war sogar soweit, daß ich mich nach meinem alten Büro zurücksehnte. »Ich hatte versucht, dem Laden hier good bye zu sagen, aber…«
»Um Himmels willen, hören Sie auf. Ich kenne die Ärzte. Ich kenne auch Ihren Zustand, John.«
»Man wollte mich nicht weglassen.«
»Zu recht.«
»Was heißt das? Ich…«
»Sie sind zu schwach.«
»Woher wissen Sie das denn, Sir?« Ich spielte den Überraschten, obwohl ich seine Antwort schon ahnte.
»Ich habe mit dem Chefarzt nicht nur einmal telefoniert. Er hat mich informiert, er hat mich…«
»Schon gut, Sir, ich habe verstanden. Ich werde noch einige Tage in diesem herrlichen Zimmer bleiben, aus dem Fenster schauen und beobachten, wie eine Septembersonne den Londoner Himmel regelrecht vergoldet. Das ist super! Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt wie heute.«
»Wie Sie das sagen, glaube ich es Ihnen beinahe.«
»Und was liegt sonst an, Sir?« Ich hatte die Frage mit ernster Stimme gestellt, und der Superintendent wußte auch, worauf ich hinauswollte, denn er sprach das Thema an.
»Sie meinen Suko. Da hat sich nichts geändert, John, rein gar nichts.«
»Ich dachte es mir. Weiß er denn Bescheid über mich?«
»Sicher.«
»Und wie hat er es aufgenommen?«
Mein Chef lachte. »Er wird Sie irgendwann besuchen kommen, wie auch einige andere.«
»Wunderbar!« rief ich aufgekratzt, »dann bringen Sie mir gleich meinen Schreibtisch mit, damit ich ihn hier im Zimmer aufbauen kann. Glenda soll auch kommen…«
»Von der soll ich Sie herzlich grüßen. Ich habe allerdings gesagt, daß man Sie vorerst in Ruhe lassen soll. Sie brauchen eine Zeit, um sich zu erholen.«
»Nicht zu lange, Sir.«
»Das sollten wir den Ärzten überlassen. Die haben darin mehr Erfahrung.«
»Sorry, aber über meinen Körper bestimme ich selbst. Ich mag die Weißkittel nicht. Sie müßten mal in deren Gesichter schauen, wenn sie zur Visite erscheinen. Das ist einfach grauenhaft, da stellen sich Ihnen die Nackenhaare hoch.«
»So schlimm wird es auch nicht sein, John.«
»Doch, Sir. Sie müssen mir glauben. Diese Typen sind wie von Sinnen, wenn Sie einen Kranken sehen.«
»Okay, John, wir hören wieder voneinander.«
»Gern, Sir. Ich verspreche Ihnen, ein großes Vorbild für alle zu sein. Ich werde der beste Kranke sein, den das Personal hier erlebt hat. Das sage ich Ihnen.«
»Wie schön für uns alle.«
Als ich den Hörer auflegte, da merkte ich erst einmal, daß meine Stirn schweißnaß war. Selbst dieses Gespräch hatte mich angestrengt. Vielleicht hatte es auch an meiner unnatürlichen Liegehaltung gelegen, jedenfalls war mir der Hörer
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