0717 - Das Treibhaus des Schreckens
dass sie so unnatürlich wachsen. Verstehst du das?«
»Nein.«
»Ich war bei Willy, ich habe die Orchidee geholt. Was ich in dem Treibhaus sah, das hat mich regelrecht erschreckt. Das war für mich, den Gärtner, furchtbar.«
»Wieso das denn?« Maria zog einen Schemel heran und setzte sich.
Die Antwort gab er flüsternd und unterstrich seine Worte zudem mit kräftigen Handbewegungen. »Das hättest du sehen müssen, Maria, das war einfach Wahnsinn. Die – die Blumen und Pflanzen sind um mehr als das Doppelte gewachsen. Sie sind riesig geworden, schon monströs, und man kann vor ihnen Angst bekommen.«
»Du bist verrückt!«
»Nein, das bin ich nicht. Was ich dir sage, entspricht Wort für Wort den Tatsachen. Wenn du das siehst, kommst du aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das ist der reine Wahnsinn. Ich bin Gärtner. Ich glaube auch, etwas von meinem Job zu verstehen, aber ich bin völlig von der Rolle gewesen, als ich das gesehen habe. Das ist kein Treibhaus mehr, Maria, das ist eine Monsterhöhle, verstehst du? Eine regelrechte Monsterhöhle, in der bald alles zugewachsen sein wird. Den Grund kenne ich nicht. Aber das ist nicht normal.«
Maria Raskowski kannte ihren Mann lange genug, um zu wissen, dass er nicht log. »Was willst du denn tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Doch, du weißt es. Du hast dich längst entschieden. Aber du willst es mir nicht sagen.«
Raskowski schaute zu Boden. »Der Grund könnte Willy Manson sein.«
»Er ist es!«, sagte die Frau.
»Ja – okay, kein Widerspruch. Und wenn er es tatsächlich sein sollte, wieso, zum Teufel, ist es ihm dann möglich, für ein derartiges Wachstum zu sorgen?«
»Keine Ahnung.«
Paul hob den Blick. »Nur durch Streicheln, durch Reden? Indem er die Blumen und Pflanzen wie Menschen behandelt, können sie ihr Wachstum doch nicht verdoppeln.«
»Anscheinend doch.«
»Das will ich einfach nicht glauben.«
»Dann ist es am besten, wenn du hingehst, mit Willy sprichst und dich davon überzeugst.«
Er dachte nach und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Im Laden bimmelte die Glocke über der Tür. Ein Kunde hatte das Geschäft betreten. Um ihn kümmerte sich Maria. Als sie zurückkehrte, fand sie ihren Mann noch immer in derselben Haltung.
»Hast du dich entschieden?«
»Ja, ich gehe hin. Auch wenn ich dabei ein verdammt ungutes Gefühl habe. Das kommt schon eher einer beklemmenden Angst gleich, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Nicht direkt, Paul, aber tu es. Wir können uns von Willy nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.«
Der schwere, bärtige Mann erhob sich ächzend. »Es stimmt, du hast vollkommen Recht.« Er strich seiner Frau über das graue Haar.
»Bis gleich dann.«
»Und noch etwas, Paul. Wenn er sich störrisch zeigt, beweise du ihm, wer der Boss ist. Das bist immer noch du. Vergiss das nie.«
»Keine Angst, ich werde daran denken.«
Raskowski verließ das Geschäft durch einen Hintereingang. Das war ein verdammt mieser Tag. Nicht nur vom Wetter her, auch vom Gefühl. Seine Stimmung war so tiefgrau wie der Himmel.
Viele Beete waren auch leer. Der Winter nahte, und damit fing die Zeit an, wo das Geschäft nicht mehr so gut lief. Die Wochen vor Weihnachten einmal ausgenommen.
Die beiden anderen Gärtner waren damit beschäftigt, den Boden umzugraben und Unkraut zu jäten. Sie grüßten ihren Chef, als dieser an ihnen vorbeiging, doch er sah sie nicht, er war in Gedanken versunken.
Auch im ersten Treibhaus arbeitete ein Angestellter. Er topfte dort Pflanzen ein. Da hinter dem Glas Licht brannte, konnte Raskowski den Schatten sehen.
Es fing an zu nieseln. Dem Mann kam es vor, als würde der feine Regen aus den zahlreichen Düsen einer Gießkanne der Erde entgegenrieseln. Er ging jetzt schneller, schlug trotzdem einen kleinen Bogen, weil er das dritte Treibhaus nicht durch den Vordereingang betreten wollte, sondern von der Seite, wo Willy seine kleine Bude hatte.
Die Tür war verschlossen. Auch das noch.
Willy wurde immer seltsamer. So etwas hatte er noch nie getan, es sei denn, er machte Feierabend. Ob er schon weg war?
Das konnte sich Raskowski nun nicht vorstellen. Nein, daran glaubte er einfach nicht. Willy war kein Mensch, der freiwillig seinen Arbeitsplatz verließ, mit dem er so verwachsen war. Es musste andere Gründe haben. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass ihn jemand bei seiner Arbeit störte, auch wenn er der Chef war.
Aber der Chef besaß einen Schlüssel. Damit hätte Willy eigentlich rechnen
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