0717 - Stygias Opfer
Dämonenfürstin.
Gryf lachte wieder.
Ein kalter Schauer lief Nicole über den Rücken. »Du bist nicht der Gryf, den Zamorra und ich kennen, nicht wahr?«
»Oh, die beiden kennen mich sehr gut!«, erwiderte der Druide.
»Die beiden - aus der Spiegelwelt! In der sind wir, nicht wahr?«
Gryf wandte sich Stygia zu.
»Brauchst du noch einen weiteren Beweis, Liebste? Dennoch musst du hier vorsichtig sein. Dein Gegenstück ist ein geradezu göttliches Miststück und duldet keine anderen göttlichen Miststücke neben sich selbst…«
»Hüte deine Zunge!«, fuhr Stygia ihn an.
»Willst du mir drohen, Schätzchen?«, fragte er stirnrunzelnd. »Du solltest dich nicht übernehmen. Hier bist du nur geduldet. Du wolltest den Weg in diese Welt kennenlernen. Nun kennst du ihn. Aber du solltest wissen, dass dein Job hier schon vergeben ist. An dein Double.«
Während die beiden sich stritten, versuchte Nicole eine Möglichkeit zur Flucht zu finden. Wenn ihr das nicht gelang, war sie verloren.
Aber es ging flicht nur allein um ihr Leben.
Es ging um viel mehr.
Sie befand sich in der Spiegelwelt!
Bisher waren sie alle davon ausgegangen, dass es nur mittels der Regenbogenblumen möglich war, zwischen diesen beiden Welten zu pendeln. Hier hatten der Gryf aus der Spiegelwelt und die Stygia aus der Realität offenbar einen anderen Weg gefunden!
Das musste Zamorra erfahren.
Zumindest er, aber auch jeder andere aus dem Team. Deshalb musste Nicole überleben, musste hier irgendwie heil wieder rauskommen.
Sie musste die anderen informieren.
Ansonsten war durchaus mit einer Invasion zu rechnen. An Ty Seneca hatten sie die Aggressivität und Machtgier der Spiegelwelt-Doubles kennengelernt, auch an dem Ted Ewigk aus der anderen Welt, der dort ERHABENER der DYNASTIE DER EWIGEN war und seine Eroberungspläne vorantrieb.
Nichts konnte schlimmer sein als eine Infiltration durch »Agenten« aus der Spiegelwelt. Dagegen verblaßten alle irdischen Probleme der Gegenwart.
Aber was konnte Nicole tun?
Davonlaufen?
Keine Chance.
Kämpfen?
Mit den bloßen Händen? Kaum.
Verdammt, sie musste sich jetzt ganz schnell etwas ganz Gutes einfallen lassen, oder sie war erledigt.
Und damit nicht nur sie…
***
Irgend etwas stimmte nicht, und Zamorra konnte selbst nicht sagen, was ihn auf die Idee brachte, jetzt noch einmal die Zeitschau zu bemühen -aber er folgte seinem Instinkt, aktivierte diese Funktion seines Amuletts noch einmal und erlebte dann in der Halbtrance das Geschehen noch einmal auf eine andere Weise.
Von »draußen« her!
Und da sah er nach einer kurzen Wartezeit, wie eine Etage höher im gegenüberliegenden Haus ein Fenster auseinander splitterte, und wie eine Gestalt nach draußen flog - halb mit der Straßenlaterne kollidierte und dann zu Boden stürzte, um sich abzurollen…
Nicole!
Im nächsten Moment wurde sie schon wieder durch die Luft gerissen.
Die Zeitschau folgte ihr - bis in einen schwarzen Strudel, einen Sog, der Nicole verschlang, aber das Amulett konnte ihr mit seiner Magie dorthin nicht folgen, und auch Zamorra selbst gelang es nicht, weil er keinen Zugang zu jenem Sog fand.
Er konnte nur staunen.
»Das gibts doch nicht!«
Aber hatte ihm sein Amulett nicht gerade gezeigt, dass es das doch gab?
Zwei Versionen von Nicoles Verschwinden!
In der einen war sie ganz normal aus dem Haus gekommen und zum Spukhaus gegangen, das jetzt nicht mehr zu existieren schien, in der anderen war sie aus dem Fenster im ersten Stock geflogen und kurz darauf in dem schwarzen Strudel verschwunden, der vorher ein Haus gewesen war…
Das war doch unmöglich!
Zwei Varianten des gleichen Geschehens, und beide Varianten in einer Welt?
Beides zugleich konnte einfach nicht stattgefunden haben. Nur eine der Varianten war real. Aber welche?
Oder…
...sollte es sich um zwei verschiedene Welten handeln, in denen mit unterschiedlichen Voraussetzungen das gleiche Ergebnis erzielt wurde?
Nicole hatte von der Spiegelwelt gesprochen!
Sollte Zamorra hier Zeuge geworden sein, wie eine Aktion zwei verschiedene Wege benutzte?
Nicoles normales Überqueren der Straße in der einen, ihr Flug in Richtung Strudelsog in der anderen Welt?
Und beides zeichnete sich hier in der gleichen Welt ab?
Und dort ebenfalls in der gleichen Welt?
Mach dich nicht verrückt, mon ami, ermahnte Zamorra sich selbst. In seinen Spekulationen konnte er sich verlieren bis zum Jüngsten Tag. Was er brauchte, waren Fakten. Aber die konnte er mit seinen
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