0718 - Tango Fatal
linken Arm und strich über das glatte Haar, als wollte sie es liebkosen. Dann blieb sie stehen und schaute sich im Zimmer um, ohne sich dabei um die Leuchte zu kümmern, mit der ich sie noch immer anstrahlte. Sie machte ihr nichts aus.
Mit langsamen und hörbaren Schritten fing sie an, das Zimmer zu durchwandern. Sie schaute dabei zu Boden, kümmerte sich überhaupt nicht um mich und auch nicht um die unter der Decke hängende Leiche, als wäre dies das normalste der Welt.
Sie schien in Gedanken versunken zu sein und hatte den rechten Zeigefinger gegen die Unterlippe gelegt. Manchmal bewegte sie die Augen, allerdings nicht, um mich anzuschauen.
Hin und wieder verließ sie den Lichtschein und wurde zu einem Schatten in der Dunkelheit. Sorgsam umschritt sie die Blutlache, bis sie dann stehenblieb.
Allerdings so, daß wir uns anschauen konnten. Ihr Finger sank nach unten, sie wollte den Mund frei haben, um reden zu können. »Nun, Mr. Sinclair, ich frage mich, was Sie hier zu suchen haben.«
»Die Frage gebe ich gern zurück.«
»Von mir bekommen Sie eine Antwort. Ich, Monsieur Sinclair habe das Haus gekauft.« Daß sie keine Französin war, merkte ich an ihrer Aussprache. Sie klang längst nicht so weich.
»Ach ja, ich vergaß es…«
»Dann wissen Sie Bescheid und sind einfach eingedrungen. Ist das nicht Hausfriedensbruch?« Sie legte den Kopf schief, schaute mich lauernd dabei an.
»In diesem Fall nicht. Wenn Sie nach oben schauen, werden Sie den Grund sehen.«
Ramona nickte einige Male. Dann schnickte sie mit den Fingern. »Ja, der Tote an der Decke. Ich frage mich allerdings, was er dort zu suchen hat, Monsieur Sinclair.«
»Ich weiß es nicht. Sie sind doch die Besitzerin des Hauses. Ich kann mir schon vorstellen, daß ich mich an Sie wenden muß, um eine Antwort zu erhalten.«
Sie hob die Augenbrauen. Die Bewegung wirkte wie einstudiert. »Halten Sie mich für eine Mörderin?«
»Das haben Sie gesagt. Jedenfalls habe ich den Eindruck, daß in diesem Haus einiges nicht stimmt.«
»Wegen der zugemauerten Fenster?«
»Meinetwegen auch deshalb. Aber das ist sicherlich nicht der Grund, und das wissen Sie selbst.«
»Ja, natürlich, das müßte ich wissen.« Sie schaute mich direkt an. In ihren dunklen Augen lag ein gewisser Glanz, mit dem ich nicht zurechtkam. War es Spott, oder sollte er eine Eiszeit zwischen ihr und mir andeuten?
»Wissen Sie es denn?«
Ramona Sanchez hob die Schultern. »Monsieur Sinclair, nichts gegen Sie persönlich, aber meinen Sie nicht, daß Sie zu viele Fragen stellen und sich nach Dingen erkundigen, die Sie nichts angehen?«
»Ich bin da anderer Ansicht.«
»Ach ja?«
»Dieses Haus ist eine Insel. Sie gehört nicht hierher. Zudem birgt es ein Geheimnis…«
Sie ließ mich nicht ausreden. »Da haben Sie völlig recht. Es birgt ein Geheimnis.«
»Ein tödliches!« forderte ich sie heraus.
Ramona Sanchez machte den Eindruck, als wollte sie sich um eine direkte Antwort herumwinden.
»So hundertprozentig kann ich Ihnen da beim besten Willen nicht zustimmen. Dieses Geheimnis kann tödlich werden, das gebe ich zu. Allerdings nicht für Menschen, die das Haus mag. Nur für diejenigen, die es abstößt.«
»Wie Gaston Lacre, nicht wahr?«
»Sie meinen den Toten unter der Decke.«
»So ist es.«
Gleichgültig hob die Frau die Schultern. »Ich frage mich nur, Monsieur Sinclair, was Sie hier zu suchen haben, wo Sie doch erkannt haben, wie gefährlich das Haus ist.«
»Vielleicht hat man mich gerufen.«
»Ach ja! Wozu denn? Und wer hat Sie gerufen?«
»Das will ich Ihnen sagen. Ich bin von einem Freund informiert worden, daß mit diesem Haus, das vor einiger Zeit eine Tanzschule beherbergte, etwas nicht stimmt.«
»Was denn?«
»Soweit bin ich noch nicht.«
Sie hob den Kopf mit einer wilden Bewegung. »Halten wir mal fest, Monsieur Sinclair. Das mit der Tanzschule stimmt. Es gab hier tatsächlich eine. Sie gehörte einem argentinischen Ehepaar, das aus bestimmten Gründen aus seinem Heimatland fliehen mußte.«
»Und Sie heißen Sanchez. Sind Sie zufällig auch Argentinierin?«
Ramona lächelte. »Es war nicht schwer, dies zu erraten. Ja, ich stamme ebenfalls aus diesem Land.«
»Dann hießen die Vorbesitzer möglicherweise auch Sanchez?« Ich bewegte mich in Kreisen auf mein eigentliches Ziel zu.
»Es waren meine Eltern.«
»Sehr schön, Madame.«
»Womit die Besitzfrage des Hauses geklärt wäre, Monsieur Sinclair. Da können Sie mir keinen Stein in den Weg
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