0718 - Tango Fatal
Mauern etwas Böses verbargen. In ihnen steckte ein unseliger Geist, etwas, das nicht hierher gehörte und aus einer anderen Welt kam.
Ich hatte mein Kreuz in die Tasche gesteckt und ließ die Finger über das Metall gleiten. Es hatte sich nicht erwärmt. Normal kühl lag es unter der Haut.
War das Böse verschwunden?
Daran konnte ich nicht glauben. Es hatte sich meiner Ansicht nach zurückgezogen und war bestimmt ebenso in eine Lauerstellung gegangen wie ich auch.
Dunkelheit und Stille umgaben mich wie ein Tuch. Nur wenn ich mich bewegte und meine Kleidung raschelte, wurde sie unterbrochen.
Ich dachte wieder an die Kerze. Nicht weit von ihr entfernt befand sich die Tür zu dem Zimmer, in dem die Schreie aufgeklungen waren.
Zwar war ich nicht sicher, daß sich jemand in meiner Nähe aufhielt, dennoch riskierte ich es, die kleine lichtstarke Lampe einzuschalten. Der helle Strahl fiel gegen den Stuhl und erfaßte auch die niedergebrannte Kerze.
An der Zimmertür blieb ich stehen.
Kein Schrei drang aus dem Raum. Die Stille kam mir ebenfalls ungewöhnlich vor, da ich anderes gewohnt war.
Ich legte sogar das Ohr an das Holz.
Es war nichts zu hören.
Ich mußte hinein. Es war ein Drang, der mich antrieb, denn ich hatte einfach das Gefühl, daß sich dort einiges tat. Dieses Zimmer kam mir wie ein Zentrum vor.
Verschlossen war es nicht. Dann stand ich im Raum.
Dunkelheit füllte ihn. Ich mußte die Lampe einschalten, um etwas sehen zu können.
In der rechten Hand hielt ich sie, drückte jedoch den Arm vom Körper weg, so daß ich schräg in den Raum hineinzielen konnte.
Er war leer.
Das Bild hing nach wie vor an der Wand. Ich sah auch den Tisch und den Stuhl. Der Blumenstrauß auf der Platte kam mir dabei lächerlich vor. Parkett bedeckte den Boden. Es war glatt und geeignet, um tanzen zu können.
Ich zog die Tür hinter mir zu und lauschte dem Geräusch nach, mit dem sie ins Schloß fiel.
Ungefähr in der Mitte des Raumes blieb ich stehen. Die eingeschaltete Lampe noch in der Rechten haltend.
Es sah alles so schrecklich normal aus. Es gab nichts, was sich da geändert hätte, und trotzdem hatte ich den Eindruck, daß etwas anders geworden war.
Es gab keinen sichtbaren Grund, es lag einfach an meinem Gefühl, auf das allerdings konnte ich mich verlassen.
Hier war etwas.
Nur sah ich es nicht.
Ich blieb auch nicht an einer bestimmten Stelle stehen, sondern nahm die Wanderung auf wie schon einmal. Nur diesmal versehen mit einem anderen Gefühl, denn ich hatte den Eindruck, die Gefahr diesmal hautnah miterleben zu können.
Es war in meiner Nähe, es wartete, es war nur eben nicht sichtbar. Aber es steckte in den Mauern.
Ein lautloses Gehen war nicht möglich. Jeder Schritt hinterließ Geräusche. Da knarrte ein Brett, eine Diele, da hörte es sich an, als würde ein Monster atmen.
Und es war noch ein anderes Geräusch vorhanden.
Ein leises Klatschen…
Nicht so, als würde jemand im Dunkeln lauern und in die Hände klatschen, nein, viel anders.
»Klatsch… klatsch…«
Fast wie Tropfen, die irgendwo aufprallten.
Ich bekam eine leichte Gänsehaut. Was da passierte, gefiel mir überhaupt nicht. Ich konzentrierte mich auf das Klatschen, weil ich eben herausfinden wollte, aus welcher Richtung es drang.
Rechts von mir.
Ich bewegte mich dorthin. Gleichzeitig schwenkte ich die Lampe. Der Strahl war in die Tiefe gerichtet, er glitt lautlos und gespensterbleich über den Boden - und erreichte sein Ziel.
Bevor ich es richtig erkennen konnte, erwischte mich ebenfalls ein Tropfen. Es klatschte genau in meinen Nacken, in die Lücke zwischen Haaransatz und Kragen.
Dort blieb er für einen Moment kleben, dann rann er am Rücken entlang und folgte der Erdanziehung.
Ich ging zur Seite. Ein zweiter Tropfen traf mich nicht mehr. Dabei hatte ich den Eindruck, Akteur eines Schauspiels zu sein, in dem sich die Mitglieder nur zeitlupenhaft bewegten.
Das Zimmer schien sich verkleinert zu haben, alles war eingefroren, und ich richtete den Strahl auf eine bestimmte Stelle neben mir.
Dort lag eine Lache.
Dickflüssig und rot.
So hell wie Blut.
Es war auch Blut, und es bekam immer mehr Nachschub, und zwar tropfenweise von oben.
Ich ahnte gar nichts, trotzdem wußte ich, daß ich etwas Schreckliches entdecken würde, wenn ich gegen einen bestimmten Punkt an der Decke leuchtete.
Der Strahl traf sofort.
Meine Ahnung wurde zur Gewißheit. Es war schlimm, fürchterlich und einfach grauenhaft.
Mit ausgebreiteten
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