072 - Das Horror Palais von Wien
gelungen, eine Gefahr aus dem Geisterreich
zu manifestieren. Ein Geist, der monatelang für Schlagzeilen in der
internationalen Presse gesorgt und auch die PSA auf den Plan gerufen hatte, war
im letzten Augenblick noch mal zurückgedrängt worden. Dieser Geist hieß Chopper .
Pörtscher alias X-RAY-11 verfolgte seit damals ebenfalls die Spur einer Frau,
von der man lediglich wußte, daß sie Marina hieß und über Hexenkräfte verfügte.
Ob Marina mit der Person, die angeblich eine Original-Seite aus dem
berühmt-berüchtigten Buch besaß, identisch war, mußte sich erst noch
herausstellen. Daß Pörtscher in Wien eine Show organisiert hatte, ließ den
Schluß zu, daß er jemand imponieren wollte. Der Schweizer arbeitete oft mit
Tricks, die anderen verschlossen waren. Ehe Pörtscher als PSA-Agent eingestellt
wurde, reiste er als Illusionist durchs Land und trat als Mister X lange
Zeit in Las Vegas auf, wo seine Shows Begeisterungsstürme hervorriefen. Wie der
geheimnisvolle X-RAY-1 auf ihn aufmerksam wurde und was Pörtscher schließlich
veranlaßte, seinen Erfolg an den Nagel zu hängen, war ein Geheimnis, das
niemand kannte. Offenbar hatte er jemand im Visier, den er auf diese Weise zu
interessieren oder zu irritieren gedachte. Ausgerechnet in Wien…
»Vielleicht
hat Pörtscher meinen Tabak verschwinden lassen«, sagte sich Iwan im stillen,
während ihm allerlei Überlegungen durch den Kopf gingen. Der Russe setzte sich
so, daß er von dem niedrigen Fenster aus die Straße überblicken konnte. Der
Ober erkundigte sich nach Kunaritschews Wünschen. X-RAY-7 bestellte eine Kanne
Kaffee mit dem Hinweis, daß er der stärkste sein sollte, den es gäbe. Daraufhin
verzichtete der Mann auf das in Wien obligat als Beigabe servierte Glas mit
heißem Wasser. Iwan verbesserte seinen Drink mit einem kräftigen Schuß
aus der Taschenflasche und grinste den Ober breit an. »Da kriegt der Kaffee den letzten Schliff«, sagte er. Dann deutete er aus dem
Fenster Richtung Toreinfahrt zum Palais. »Das Haus gefällt mir. Ich habe eine
Schwäche für alte Gebäude. Ich hab gehört, daß das Palais zu verkaufen sei.
Wissen Sie etwas Näheres darüber?« Der schmale Mann sah ihn groß an. »Das ist
das erste, was ich höre… aber möglich ist es schon. Allerdings kann ich mir
schlecht vorstellen, wer infrage käme, es zu kaufen. Höchstens ein Unternehmen,
das Grusel-Reisen anbietet, wäre dafür geeignet.«
»Wieso?«
»In
dem Palais spukt’s.«
»Wer
sagt das?«
»Viele
Leute. Hin und wieder kann man sogar etwas in der Zeitung darüber lesen.
Besonders im Sommer, in der sogenannten Sauren-Gurken-Zeit, wenn die
Redakteure nicht wissen, was sie schreiben sollen.«
»Und
was schreiben sie dann?«
»Angebliche
Beobachtungen über das Palais… Da hat irgend jemand wieder Geräusche oder gar
Stimmen gehört, ein anderer will Lichtschein hinter den Fenstern gesehen haben…
dritte wiederum behaupten sogar, das Klappern von Pferdehufen und das Rattern
der Räder einer Kutsche auf dem Kopfsteinpflaster vernommen zu haben… und dann
gibt es einige Zeitgenossen, die Stein und Bein schwören, sogar den Schatten
einer Kutsche in der Gasse gesehen zu haben.«
»Das
ist ja interessant«, murmelte Iwan. »Haben Sie selbst schon mal so ein Erlebnis
gehabt?«
»Nein.
Ich glaube auch an das ganze Gerede nicht, um ehrlich zu sein. Das Palais steht
seit jeher in schlechtem Ruf. Es wird als das Horror-Palais bezeichnet.
Was Loch Ness für Schottland ist das Horror-Palais für Wien… es kommen
immer wieder Leute, Touristen hierher, die sich den Gebäudekomplex und die
beiden alten Kutschen ansehen, die hinten im Hof stehen.«
»Und
sie besichtigen auch das Gebäude.«
»Nein.
Die Türen dort sind verschlossen oder ganz und gar vernagelt. So genau weiß ich
das nicht. Ich habe zwar täglich in der Nähe zu tun, weil ich hier meine
Arbeitsstelle habe… Und für das Geschäft ist das auch ganz gut. Viele Fremde
werfen auch hier einen Blick herein, und bleiben auf eine Tasse Kaffee und ein
Stück Kuchen… Und sie haben dann ähnliche Fragen wie Sie… Dann erzähl ich ihnen
von den angeblichen Spukgeschichten, und den meisten ist anzusehen, daß sie es
glauben und wie ihnen ein Schauder den Rücken runterläuft.«
»Wer
ist der derzeitige Besitzer des Palais?« hakte Iwan nach, der soviel wie
möglich darüber wissen wollte. »Und ist Ihnen bekannt, ob es bewohnt ist?« Er
mußte daran denken, welche Adressenangabe jener geheimnisvolle Mann
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