0721 - Stärker als der Teufel?
sagt man denn sonst noch alles?«
»Daß Sie ein Doppelleben führen.«
»Das führen viele Menschen, Madame.«
»Ich weiß.«
»Und worauf wollen Sie hinaus?«
»Auf Ihre Kräfte, die nicht von dieser Welt sein sollen, verstehen Sie? Man bringt Sie mit gewissen Dingen in Verbindung, mit denen ich nicht zurechtkomme, aber…«
»Man redet viel.«
»Ja, das kann sein.«
»Ich jedenfalls kann mich nur wiederholen. Sie sind krank, Sie sollten operiert werden und zwar schnell. Das ist alles, Madame.« Yannah nahm die Ringe wieder an sich und ließ sie einige Male um ihre ausgestreckten Finger kreisen.
Sie gerieten in den Schein der elektrischen Kerzen und versprühten einen goldenen Glanz. Wie hypnotisiert verfolgte die Kundin den Weg dieser beiden Ringe, die schließlich an den Armen der Frau entlangrutschten und sich mit den anderen an den Schultern vereinigten.
»War das alles?«
»Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Madame.«
»Dann gehe ich jetzt.«
Beide Frauen standen auf. Yannah brachte die Frau noch bis zur Tür. Sie ging davon, ohne noch ein Wort zu sagen. Yannah aber blieb zurück. Sehr nachdenklich schaute sie zu Boden. Sie hatte die Krankheit der Frau tatsächlich erkannt. Es war Krebs gewesen, aber das wiederum hatte sie ihr nicht sagen wollen. Der Hinweis auf eine Operation hätte eigentlich reichen müssen.
Als Weiße Hexe sah man sie an. Sie war in Paris bekannt, man drängte sich danach, ihre Bekanntschaft zu machen. Sie wurde zu den großen Parties und Festen eingeladen, aber sie ging kaum hin.
Yannah führte nach wie vor ihr Doppelleben und verließ sich lieber auf ihren Feuerstuhl und ihre Freunde als auf die Pariser Gesellschaft.
Es war die letzte Kundin an diesem Tag gewesen, und Yannah ging langsam zurück an ihren Platz.
Sie ließ sich in dem hochlehnigen Sessel aus dunkelrotem Leder nieder und schloß die Augen zur Hälfte, so daß die Lichter zu mehreren Streifen wurden, die übereinanderlagen und sich in schimmernden Reflexen vereinigten.
Sie streckte die Beine aus, um sich ihren Gedanken hinzugeben, die schwer genug waren.
Sie dachte an den Teufel!
Wer hatte ihm schon Paroli bieten können, außer ihr? Allein die Ringe waren es, die sie schützten, und das wußte Asmodis auch, aber er traute sich nicht, sie direkt anzugreifen.
Er hatte es ihr gezeigt.
Zwei Tote hatte er ihr in den Weg gelegt.
Vielleicht würden es mehr werden.
Yannah hatte mit ihren Freunden über den Fall gesprochen und es ihnen freigestellt, ob sie nun blieben oder nicht.
Sie blieben.
Mitgefangen - mitgehangen, so hatten sie alles interpretiert. Sie fühlten sich bei ihr wohl, denn für sie war es ein aufregendes Leben, das Yannahs Nähe bot.
Sie hatte nichts dagegen gehabt, aber ihre Freunde wußten nun Bescheid. Als sie sich bewegte, klirrten wieder die Ringe gegeneinander. Aus der Hosentasche zog sie ein schmales Päckchen hervor, öffnete es und zupfte mit spitzen Fingern ein dünnes Zigarillo hervor. Das gelbe Mundstück verschwand zwischen ihren Lippen. Dann zündete sie das Feuerzeug und brachte die Flamme dicht an das andere Ende. Sie rauchte mit Genuß und ließ sich von den blaugrauen Wolken umwabern, die aus Mund und Nase strömten.
Ein besonderer Geruch legte sich über den Raum. Dieses Zigarillo bestand nicht aus einem normalen Tabak, es wurde extra für sie angefertigt und mit Stoffen versetzt, von denen einige unter das Rauschmittelgesetz fielen.
Yannah machte es nichts aus. Sie kümmerte sich nicht darum, und auch andere sollten sich gefälligst nicht darum kümmern. Es war allein ihre Sache.
Sie rauchte, entspannte sich dabei, und trotzdem drehten sich ihre Gedanken um den Teufel.
Menschen gaben auf, Dämonen nicht, und der Teufel würde dies erst recht nicht tun.
Davon ging sie aus.
Auch wenn er seine Magie nicht direkt gegen sie einsetzte, an Aufgabe dachte er nie. Dafür hatte sie ihn zu stark in seine Schranken gewiesen, zu hart beleidigt. Asmodis würde nach Mitteln und Wegen suchen, um sie zu vernichten.
Am meisten ärgerte es ihn, daß er nicht selbst an sie herankommen konnte. Sie war von einer Blockade umgeben, und diese wiederum besaß ihren Ursprung in den Ringen.
Sie allein waren wichtig.
Sie dachte nicht an die Herkunft der Ringe, auch nicht an das Material, sie dachte nur daran, daß sie so etwas wie einen absolut sicheren Schutzmantel boten und daß diese Ringe ihr noch Kräfte garantierten, die eine Hexe ausmachten.
Eine Weiße Hexe, darauf legte sie
Weitere Kostenlose Bücher