0721 - Stärker als der Teufel?
gewesen. Wir hatten zwei Kannibalen aus Aibon erlebt und sie nur im allerletzten Moment stoppen können, so daß ihnen wenigstens keine Menschen zum Opfer gefallen waren.
Der erlebte Streß verlangte nach einer Gegenreaktion. Die war zu vergleichen mit der Lust nach Leben, nach Gefühl, danach, den anderen zu spüren.
Das hatten wir intensiv getan und auch an diesem späten Morgen noch einmal.
Es war zudem das richtige Wetter, um im Haus zu bleiben. Grauer Himmel, Nieselregen, Nebelschwaden in den Straßen, fallende Blätter, die wie nasse Tücher klebten, Licht schon am Tage, also ein Wetter, bei dem man lieber in den vier Wänden blieb.
Ich lag auf dem Rücken, schaute gegen die Decke und auch gegen die zahlreichen Puppen, die Jessica herstellte und womit sie als Künstlerin einen Teil ihres Lebensunterhaltes verdiente.
Als sie sich zu mir hinbeugte, fiel das lange Haar wie ein Schleier über mein Gesicht.
Sie küßte mich.
Es war ein wunderschöner Kuß. Leidenschaftlich, aber auch von einer gewissen Traurigkeit durchzogen, denn ihr war klar, daß ich nicht bleiben konnte und mit meinem Weggehen der Zauber der langen Nacht und des Morgens zerstören würde.
Danach richtete sie sich auf, blieb neben mir sitzen und wischte ihre Augen trocken.
»Weinst du?« fragte ich sie.
Jessie hob ihre Schultern. »Kaum«, sagte sie, »aber ich hasse es, Abschied zu nehmen.«
Ich strich über ihren Rücken. »Ich bitte dich, Jessica, du redest darüber, als wäre es ein Abschied fürs Leben.«
»Es kommt mir aber so vor!« flüsterte sie.
»Das stimmt nicht. Wir leben beide in London. Zwar ist die Stadt groß, aber nicht zu groß…«
Sie ließ mich nicht ausreden. »Wie oft sehen wir uns denn, John? Sei ehrlich.«
»Nun ja…«
»Kaum.«
»Das stimmt. Ich habe meinen Beruf. Ich habe Verpflichtungen. Aber das brauche ich dir ja nicht zu erzählen. Das weißt du alles selbst. Du hast es mehr als einmal erlebt.«
»Ja, das weiß ich, John.« Sie räusperte sich. »Und es tut mir so leid. Außerdem gibt es da noch ein Problem, das aus zwei Namen besteht. Jane Collins und Glenda Perkins.«
Ich verdrehte die Augen. »Was haben sie denn mit uns beiden zu tun, Jessie?«
»Sie lieben dich - oder?«
»Das weiß ich nicht.«
»Zumindest hast du mit ihnen schon geschlafen.«
»Ja, das stimmt. Ich brauche mich auch nicht zu entschuldigen. Aber das war einmal, Jessie. Ich kann die beiden nicht gegeneinander ausspielen, das geht nicht.«
»Und was ist mit mir?«
Ich verdrehte die Augen. Warum mußten die Frauen immer alles so kompliziert machen. »Jessie, wenn ich dir sage, daß es mit dir etwas anderes ist, glaubst du mir dann?«
Sie schaute mich kurz an. »Warum sollte ich das?«
»Weil wir nicht beruflich verbandelt sind. Himmel, wir sind doch erwachsene Menschen und keine Teenager mehr. Wir können beide aus unserem Leben nicht mehr heraus.«
»Das weiß ich, John.« Sie streichelte mit einer zärtlichen Geste über mein Haar. »Deshalb wollen wir beide versuchen, die wenigen Stunden, die wir immer zusammen sind, richtig zu genießen. So, und jetzt mache ich uns ein Frühstück«, erklärte sie mit völlig veränderter Stimme.
Bevor ich noch etwas erwidern konnte, war sie aus dem Bett gehuscht, streifte den seidenen Morgenmantel über, richtete ihre Haarflut und bewegte sich in Richtung Dusche.
Ich lauschte dem Rauschen des Wassers, das durch die offene Tür klang und wollte eigentlich meinen Gedanken nachhängen, aber das Geräusch schläferte mich schon nach kurzer Zeit ein, und sehr schnell war ich weg.
Ich schreckte auf, als warme Finger meine Stirn berührten. Jessica hatte sich über mich gebeugt, lachte, und von ihrer noch feuchten Haut fielen Wassertropfen auf mein Gesicht.
»Das nennt man Energiebündel. Schläft einfach wieder ein.«
Ich grinste. »Irgendwo ist man ja noch Mensch - oder nicht?«
»Dann spiele mal den Übermenschen und komm hoch. Ich koche inzwischen den Kaffee.«
Da mir das Aufstehen schwerfiel, streckte sie mir die Hand entgegen und half mir dabei. Ich saß etwas benommen auf der Bettkante, strich mit allen Fingern durch das Haar und stand dann auf.
Ziemlich wacklig bewegte ich mich auf die Dusche zu, stellte sie an und ließ die Strahlen auf den nackten Körper prasseln.
Sehr heiß, daß es auch dampfte, dann lau, schließlich kalt, so daß ich das große Bibbern bekam.
Als ich die verließ und nach einem großen Badetuch griff, in das ich mich einwickelte, war ich
Weitere Kostenlose Bücher