0721 - Stärker als der Teufel?
Ile de la Cité, auf der einst Gallier vom Stamme der Parisier das Fischerdorf Lutetia gegründet hatten, das als historisches Zentrum von Paris und ganz Frankreich galt.
Das Ufer lag tiefer als die normale Straße, über der ein nicht abreißender Verkehrsstrom rollte.
Yannah kümmerte sich auch nicht um die Clochards, die unter manchen Brücken zusammenhockten und auf den einsam stehenden Bänken saßen. Der Sommer war vorbei, für sie würde jetzt eine traurige Zeit anbrechen. Aber das kümmerte sie nicht.
Yannah war mit zwei Freunden verabredet. Sie wartete nahe der Brücke Pont d'Austerlitz auf sie.
Dort würde sie ihnen dann einige Fragen beantworten.
Die Gegend war für sie gut und günstig. Nicht weit entfernt lag die Grünanlage des Jardin des Plantes, dessen Westseite mit dem Gelände der Universität abschloß.
Da konnte man auch um diese Zeit in Ruhe reden, ohne gestört zu werden.
Wie ein Phantom huschte sie am Fluß entlang. Die Luft war schlecht, das Wasser stank, die Stadt atmete zahlreiche Gerüche aus, die sich wie ein dichter Kessel über das Häusermeer legten und auch in jede noch so kleine Gasse hineinkrochen.
Der Schiffsverkehr ruhte fast. Kähne lagen wie schwere Klötze am Ufer. Stimmen schallten über das Wasser. Yannah hörte, nichts. Sie hatte das Sichtvisier des Helms nicht ganz nach unten geklappt, sie wollte etwas von dem Wind spüren, der ihr entgegenwehte.
Dann sah sie den Mann.
Er stand mitten auf dem Weg, hielt sich geduckt, den Kopf nach unten gesenkt. Vor seinem Gesicht tanzte für einen Moment der Widerschein einer Flamme, als er ein Zündholz anriß und sich eine Zigarette anzündete. Sie glühte auf wie ein roter Stern. Er rauchte hastig, ging aber nicht zur Seite.
Yannah ärgerte sich darüber. Sie war stärker, da hatte der Schwache eben zu weichen. So lautete auch die Maxime, nach der sie ihr Leben eingerichtet hatte.
Der Mann blieb nicht nur stehen, er ging ihr sogar entgegen. Sie schaltete das Fernlicht an.
In dem grellen Lichtkegel stand er wie eine Vogelscheuche. Sein Mantel war lang und grau. In der rechten Hand hielt er die Zigarette - und schleuderte sie Yannah entgegen.
Jetzt erst wurde ihr klar, daß diese Person nicht rein zufällig dort stand. Sie hatte auf Yannah gewartet, und die Frau mit dem roten Feuerhaar wußte, daß sie in den nächsten Sekunden handeln mußte, wenn sie überleben wollte.
Sie bremste, sie fuhr nach links, wo eine Böschung aus Steinen hochwuchs.
In diesem Moment fiel die Zigarette zu Boden.
Ein Feuerball wölbte auf. Urplötzlich stand die Breite des Weges in Flammen, die grün, rot und gelb schimmerten und sich aus unzähligen Armen zusammensetzten, die sich gierig weiterfraßen.
Yannah hatte es nicht geschafft, die Steinböschung hochzufahren. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, denn oben befand sich ein Eisengeländer. Nach rechts schleuderte sie sich von ihrer Maschine, prallte hart auf, aber die Lederkleidung dämpfte den Fall.
Das Motorrad sah aus, als wollte es mit letzter Kraft den Rand der Böschung erreichen, was natürlich unmöglich war. Auf der schrägen Ebene verlor es nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch das Gleichgewicht, kippte und rutschte mit kreischenden Geräuschen wieder den Weg hinab nach unten.
Yannah stand schon auf den Beinen.
Nicht nur das, sie rannte auf die gierigen Flammen zu und hielt plötzlich zwei ihrer kleinen Ringe in den Händen. Mit einem gewaltigen Sprung und dabei einen Schrei ausstoßend, hechtete sie in das Feuer hinein, wobei sie die Hände mit den Ringen spiralförmig und gegeneinander versetzt bewegte.
Eigentlich hätten die Flammen zuschnappen und sie verbrennen müssen, was allerdings nicht geschah.
Die Ringe waren wie Wasser, das zum Löschen eines normalen Feuers benötigt wurde.
Noch einmal zuckten die Flammen in die Höhe. Sie sahen dabei aus, als wollten sie sich strecken, dann sanken sie zusammen und waren von einem Moment zum anderen verschwunden.
Und Yannah stand in der Mitte.
Ihr war nichts geschehen, die Magie der Ringe hatte ihr wunderbar geholfen.
Sie lachte.
Es mußte einfach hinaus, wenn sie an diesen schon beinahe lächerlichen Angriff des Teufels dachte.
Hatte sie ihn tatsächlich derartig hart provoziert und geärgert, daß er zu diesen schon primitiven Mitteln greifen mußte?
Das war kaum vorstellbar, aber es war auch nicht zu leugnen, wie sie selbst zugeben mußte.
Der Mann war ebensowenig zu sehen wie irgendwelche Brandspuren. Wer er nun
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