0722 - Böser Zauber in Montmartre
antreten.«
»Das Erbe einer Lebenden?«
»Ja, mein Kind, denn ich werde den Morgen nicht mehr erleben. Ich bin so gut wie tot, aber zuvor werde ich ihm noch einen Streich spielen.«
Yannah holte tief Luft. Sie konnte alles noch nicht richtig einordnen, aber etwas wollte sie wissen, das hatte Vorrang vor allem anderen. »Wer ist er denn?«
»Weißt du das nicht?«
»Nein - nicht…«
»Es ist der Teufel!«, sagte Simone mit einer Stimme, die hasserfüllt klang.
Ja, der Teufel, dachte sie und zeigte sich nicht einmal überrascht, obwohl sie doch von dieser Eröffnung überrascht worden war. Eigentlich hätte sie es sich denken können. Nicht jedem Menschen kam sein Name so leicht über die Lippen. Viele fürchteten sich davor, ihn auszusprechen.
Yannah ging einen kleinen Schritt vor, dann noch einen. Sie blieb stehen, als sie den imaginären Rand der Lücke zwischen den beiden gespreizten Beinen erreicht hatte.
Die so unterschiedlichen Frauen schauten einander an. Simone aber lächelte. »Du sagst nichts. Hat es dir die Sprache verschlagen, mein Kind?«
»Nein, denn ich weiß ja, dass es ihn gibt.«
»Ja, er existiert.«
»Kennst du ihn?«
Sie lächelte. »Der Teufel ist überall. Man kann ihn nicht so einfach kennen. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass er sich nur in einer bestimmten Gestalt zeigt. Du kannst ihn als schöne Frau sehen oder als einen hässlichen alten Mann. Das alles spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass es ihn gibt, dass er sich in die Belange der Menschen einmischt, so wie er es auch bei mir getan hat.«
»Was hat er dir getan?«
»Eigentlich nicht viel. Bis auf die Tatsache, dass er mich hier festhält.«
»Und du kommst nicht davon los?«
»Nein, mein Kind.«
»Hast du Schmerzen?«
»Man kann sich daran gewöhnen.«
Yannah ging der Anblick unter die Haut. Sie jedenfalls würde sich daran nicht gewöhnen können, deshalb beugte sie sich vor, streckte bereits die Hand aus, um die alte Frau zu befreien.
»Nein, tu es nicht!«
Yannah zuckte zurück. »Warum nicht?«
»Du darfst das Teufelsfeuer nicht berühren. Noch nicht. Andere Dinge sind wichtiger. Ich habe dich nicht deshalb geholt, damit du mich befreist. Es gibt etwas, das den Teufel in Rage bringt. Ich habe dafür gesorgt, und er ist furchtbar sauer, dass er von einem Menschen reingelegt wurde. Ich habe ihn weggeschickt, aber ich weiß nicht, wann er zurückkehren wird. Deshalb müssen wir uns beeilen. Geh bis zur Tür zurück. Dann nach links. Du wirst merken, dass du bald auf eine lose Diele trittst. Du kannst dieses Brett anheben. Was sich darunter befindet, ist mein Erbe, es gehört von nun an dir.«
»Was ist es denn?«
»Es sind Gegenstände, die einmal dem Teufel gehört haben. Die ihm gestohlen wurden, die er verwahrte, weil er weiß, dass sie seine verfluchte Macht einschränken. Es sind die heiligen Ringe aus uralter Zeit. Der Sage nach haben sie tatsächlich einem Heiligen gehört. Es soll Antonius gewesen sein, aber das ist nicht sicher. Nimm sie an dich, verwahre sie gut und denke daran, dass der Satan sie nicht überwinden kann. Damit kannst du dich vor ihm schützen.«
Yannah glaubte der Frau jedes Wort. Ein Mensch in ihrer Lage log nicht, saugte sich nichts aus den Fingern.
Sie nickte, sie ging zurück und sie spürte sehr deutlich, dass ihre Knie zitterten.
Welch ein Schicksal, dachte sie. Welch eine Macht. Was kommt da auf mich zu?
Noch klangen ihre Schritte normal. Als sie sich jedoch nahe der Tür in die vorgegebene Richtung wandte, da merkte sie schon den hohlen Ton unter ihrem rechten Schuh.
Das war das lose Brett.
Yannah bückte sich. Sie tastete über den Fußboden. Dabei drückte sie auch mit dem Fuß gegen die bestimmte Stelle und schaffte es, das Brett hochzukanten.
Mit den Fingern fasste sie nach, bog es um, und selbst bei diesem schwachen Licht erkannte sie die Vertiefung und sah auch das Dunkle, das den Boden bedeckte.
Es war das Erbe!
Yannah fiel auf die Knie. Sie beeilte sich jetzt, denn Simones Stimme heizte ihr ein. »Du musst schneller werden, Mädchen. Ich - ich spüre, dass der Teufel zurückkommt. Ich habe ein langes Leben gegen ihn gefochten. Wir beide kennen uns irgendwie. Mit mir geht es zu Ende, jetzt will er die Ringe in seinen Besitz bringen. Bitte beeile dich…«
Yannah gehorchte.
Sie musste den Arm sehr lang machen, sich weit vorbeugen und spürte das Reißen in der Schulter, als sie den Arm noch mehr in die Tiefe streckte.
Ihre Finger tasteten über etwas
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