0722 - Eiswind der Zeit
Polizei.
***
Die blaue Windhose, in die der Eisivind vom Spiegelwelt-Zamorra verwandelt wurde, schwebte an Neill Aspin vorbei auf Judith Durham zu. Der Mann stand da wie hypnotisiert, er konnte sich nicht bewegen, auch wenn er es gewollt hätte. Der Bann des Schwarzmagiers hielt ihn an dieser Stelle fest.
Es ist unglaublich, dachte er verblüfft, aber ich kann sogar hören, wie der Wind bläst…
Dass er weder Angst um seine Freundin hatte, noch dass er ihr nicht zu Hilfe kommen konnte, kam ihm keine Sekunde zu Bewusstsein.
Ihm schien, dass er nur der Zuschauer eines Theaterstücks war, das er von einem der hintersten Plätze ansehen konnte.
Den beiden Leuten, die gerade an ihm vorbeihetzten, folgten weitere drei. Zwei davon sahen den ersten ähnlich wie ein Zwilling dem anderen.
Auch darüber machte sich Neill keine Gedanken.
Er drehte langsam den Kopf wieder zu Judith zurück. Seine Freundin lief nicht mehr davon, dafür sorgte ein Hypnosebefehl des Spiegelwelt-Zamorra.
Judith stand vor einem Haus alter Bauart, sie schaute sich verwirrt um.
Warum kann ich nicht weitergehen?, fragte sie sich verwirrt. Wo wollte ich überhaupt hin? Was tue ich hier?
Auf einen Gedankenbefehl hin ging sie in die Hocke um auf den Schwarzmagier, ihren Herrn, zu warten. Im Haus hinter ihr, einem Gemäuer aus dem 19. Jahrhundert, schien Licht durch ein schmales, hohes Fenster. Davor überschatteten Bäume den kurzen Vorgarten, in dem sich Grabsteine befanden.
Das rechte Bein lugte durch den Schlitz an ihrem Kleid. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt, die linke Hand unter dem rechten Ellenbogen. Das schulterfreie Kleid war dabei etwas weiter nach unten gerutscht.
Sie empfand keine Angst und blickte den Schwarzmagier nur stumm an. Seit sie den Eiswind entdeckt hatte, waren erst wenige Sekunden vergangen.
»Halt, Zamorra!«, gellte es im Rücken des Spiegelwelt-Meisters.
Zamorras und Nicoles Doppelgänger aus der anderen Welt blickten verärgert hinter sich.
Der Spiegelwelt-Magier hob die Hände, er war bereit für den Kampf. Seine Gefährtin stellte sich ebenfalls in Abwehrstellung auf.
»Was willst du?«, höhnte er. »Ich sorge dafür, dass du auf der Stelle stirbst, du billiges Abziehbild!«
»Reiß nicht den Mund so weit auf und versprich nicht, was du bisher noch nie halten konntest«, versuchte Zamorra seinen Gegner zu reizen.
»Einmal ist immer das erste Mal«, lautete die Antwort. »Und was spricht dagegen, dass dieses erste Mal heute ist?«
»Deine Dummheit und Überheblichkeit«, sagte Nicole mit ätzendem Spott. Der Spiegelwelt-Zauberer tat, als hätte er die Worte nicht gehört. Sie trafen ihn nicht. Wichtig war alleine seine Fehde mit dem Doppelgänger, nur ihn sah er als richtigen Gegner an.
Gryf ap Llandrysgryf schüttelte ungläubig den Kopf. Alles erschien ihm so unwirklich. Sowohl Neill Aspin als auch Judith Durham standen oder hockten bewegungslos da. Im Hintergrund sah er einen Einsatzwagen der Polizei sowie zwei Polizisten, die sich ihnen vorsichtig näherten. Der Eiswind verharrte an der Stelle, er war abhängig vom nächsten Befehl.
Patt, erkannte der Silbermond-Druide, der neben Zamorra stand. Er überlegte, ob er seine Fähigkeit des zeitlosen Sprungs einsetzen sollte. Die sind zu weit voneinander entfernt, als dass ich beiden helfen könnte. Ich kann entweder das Mädel retten oder ihren Freund, aber einen von beiden erwischts garantiert durch diese Eiswindwajfe…
»Was soll das, Zamorra?«, rief er den Schwarzmagier an, um Zeit zu gewinnen. »Was haben diese Leute mit…«
»Halts Maul, Vampirdruide!«, antwortete die Spiegelwelt-Duval.
Vampirdruide…?, echote es in Gryfs Gedanken. Er ahnte Schlimmes, was sein Gegenstück auf der anderen Welt anstellte…
Auch Zamorra und Nicole waren verblüfft. Sie hatten erst vor ein paar Wochen in Paris mit Gryfs Doppelgänger zu tun gehabt. Anzeichen von Vampirismus hatten sie dabei nicht an ihm festgestellt. Wenn er wirklich ein Vampir-Druide war, musste er sich sehr gut tarnen können.
Sie aktivierten ihre Dhyarra-Kristalle.
»Diese Leute haben dir nichts getan«, rief Zamorra seinem Gegenspieler zu. »Also lass sie ihn Ruhe. Unseren Streit können wir ohne Außenstehende austragen.«
»Aber sie sind ein prima Faustpfand für mich«, erklärte sein Gegenspieler. »Die beste Versicherung für mich, dass du auf alles eingehst, was ich will. Außerdem ist es mir egal, was mit ihnen geschieht. Im Gegensatz zu dir bin ich nicht
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