0723 - Der Teufels-Autor
zurück finden würde.
»Wenn nicht«, sagte Bill, »dann fahre ich hin und ziehe ihn an den Ohren über den Kanal.«
»Freunde, Freunde«, murmelte ich, blieb aber dabei ernst und fragte: »Weshalb hast du dich eigentlich mit mir treffen wollen, Alter? Nur um ein Bierchen zu schlürfen?«
»Nein.«
»Dachte ich mir.«
»Ich wollte wissen, ob du morgen Zeit hast.«
»Das sagtest du schon am Telefon. Ich habe morgen Zeit.«
»Okay, dann kannst du mich ja begleiten.«
»Frage: Wohin?«
»Aufs Land, zu einem Jubiläum.«
»Sag nur? So richtig schön mit Trubel, Schützenverein und Trachtengruppe?«
»Nein, in einem Landhaus, im erlauchten Kreis.«
»Wie komme ich denn dazu?«
»Indem du mich begleitest. Sheila hat keine Lust. Sie hat auch etwas anderes vor.«
»Dann bin ich der Notnagel.«
»So ähnlich.«
Ich trank einen Schluck Bier. »Darf ich denn fragen, wem ich da die Ehre geben soll?«
»Darfst du. Kennst du einen Damion Dark? Sagt dir dieser Name etwas?«
»Müsste er das?«
»Ja oder nein?«
»Bis jetzt eher nein.«
»Dann will ich es dir erklären. Damion Dark ist Schriftsteller, Horror-Autor, Auflagenmillionär. Morgen erscheint sein fünfzigstes Buch. Da gibt er eine kleine Feier zusammen mit dem Verlag, in dem seine Werke erscheinen. Sheila und ich sind eingeladen. Ich in meiner Eigenschaft als Reporter. Ich werde also darüber berichten. Da Sheila zu Hause bleibt, dachte ich mir, dass es ganz nett wäre, wenn du mich begleitest. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Und wo findet das statt?«
»Westlich von London. Es ist nicht weit.«
Ich lehnte mich zurück und streckte die Beine aus. So ganz überzeugt hatte Bill mich nicht. Andererseits hatte ich wirklich nichts vor. Und einen traurigen Herbsttag verbrachte ich lieber in Gesellschaft als zu Hause.
»Nun?«
»Wann soll es denn losgehen?«
»Am Nachmittag. Wir werden gegen siebzehn Uhr dort sein.«
»Wie viele Personen sind noch geladen worden?«
Bill hob die Schultern. »Ich weiß es nicht genau, kann mir allerdings vorstellen, dass es fünfzig sind. Für jedes veröffentlichte Buch ein Gast. So etwas macht man gern.«
»Und wer kommt dorthin?«
»Kollegen, der Verleger, Redakteure, Grafiker, nehme ich an. Also die Branche.«
»Und ein Polizist.«
»Dann stimmst du also zu?«
Ich grinste. »Ich werde auf dich Acht geben.«
Er lachte mich über den Tisch hinweg an. »Gib nur Acht, dass ich nicht auf dich aufpassen muss.«
»Warum das denn?«
»Auf diesen Festen sind immer sehr schöne Frauen zugegen. Und die können ja auch gefährlich werden - oder?«
Ich enthielt mich einer Antwort und bestellte mir lieber noch ein zweites Bier.
***
Damion Dark war wieder zu Hause eingetroffen, froh, die Fahrt durch den Nebel hinter sich gebracht zu haben. Sein Wagen stand in der Garage, die Platz für mehrere Fahrzeuge bot. Neben dem robusten Mercedes-Geländewagen wirkte der Jaguar klein.
Er ging ins Haus.
Stille herrschte in der nebligen Landschaft. Innerhalb der Mauer setzte sie sich fort.
Still, ruhig, verlassen.
Drei Eigenschaften, die auch auf ihn passten. Er empfand das Alleinsein plötzlich als so schlimm, dass sich dieser Zustand zu einem Gefühl des Hasses steigerte.
Er hasste diese Einsamkeit des Hauses. Es hatte eine. Zeit gegeben, da war er über den Kauf des Hauses begeistert gewesen. Heute nicht mehr, denn seit einiger Zeit kam es ihm vor, als würde der alte Landbau mitten auf einer Insel stehen, die in der Weite des Meeres schwamm. Besonders wenn der Nebel drückte, kam es ihm so vor. Da hatte er das Gefühl, von der gesamten Welt ausgeschlossen zu sein.
Er betrat die große Halle von der Seite. Der Holzboden sorgte für schwere Schrittechos, als er durch den großen Raum ging. Er hatte überall Licht gemacht. Es ließ sich zentral schalten. Der Lüster unter der Decke warf die Strahlen in die Runde wie ein kompaktes Heer von funkelnden Sternen.
Unter dem Lüster blieb der Schriftsteller stehen und dachte daran, dass am morgigen Tag hier im Haus und besonders in dieser Halle die Feier stattfinden würde.
Ihm war danach überhaupt nicht zumute. Er hätte sich am liebsten verkrochen, anstatt darüber nachzudenken, dass in weniger als vierundzwanzig Stunden die Bude voll war.
Keiner war im Haus, nur Damion Dark selbst. Trotzdem fühlte er sich nicht allein. Ihm war, als hätte er unsichtbaren Besuch bekommen, als hätten sich während seiner Abwesenheit Wesen in dem Haus versteckt, die nur darauf gewartet
Weitere Kostenlose Bücher