0724 - Der Stasi-Vampir
hinter mir herfluchte.
Alles war für mich besser, als mich von dieser zweibeinigen Kampfmaschine durchwalken zu lassen…
***
Drei Stunden später!
Über London lag der Dunst in dichten Wolken. Zudem regnete es. Sehr feine Tropfen nieselten aus den Wolken und verstreuten sich wie ein Schleier über die Stadt.
Ich befand mich dort, wo die Stadt eigentlich nicht mehr Stadt war, sondern Industriegelände. Der Hafen lag nicht weit entfernt. Ich hörte den Krach der Maschinen, die Signalhörner der Schiffe und roch das alte Wasser auch.
Der Weg, den ich ging, gehörte zu einem verlassenen Viertel inmitten des Hafengeländes. Früher war hier einmal schwer gearbeitet worden, seit einem Jahr nicht mehr. Man wollte investieren, um zu renovieren, getan hatte sich noch nichts. Es war kein Geld da, und so glich das Gebiet einer toten Landschaft.
Ich schritt an den Gleisen entlang, die von Unkraut überwuchert waren. Nicht weit entfernt stand eine Laterne. Sie ragte wie ein hoher, krummer Arm in die Luft.
Und sie genau sollte als Treffpunkt dienen. Sir James hatte es mir gesagt, und er hatte auch davon gesprochen, daß es um Vampire und den ehemaligen, Staatssicherheitsbeamten der ebenfalls ehemaligen DDR ging. Was mir persönlich nicht paßte, denn damit wollte ich partout nichts zu tun haben.
Aber Job ist Job, und bei dem Begriff Vampire wurde ich sowieso hellwach, seit Will Mallmann alias Dracula II, seine große Schau abgezogen hatte.
Lange hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Ebensowenig von der Hexe Assunga, die im Besitz eines Zaubermantels war und deshalb eine große Macht besaß.
Der Platz unter der Laterne war leer. Mein Informant hielt sich zurück. Sein Name lautete Erich Meier. Er war bestimmt ebenso falsch wie sein Gebiß.
Wenn ich zu derartigen Treffen ging, stellte ich mich dementsprechend darauf ein, war auch vorsichtig und hatte auf eventuelle Verfolger geachtet, die sich in einem Gelände wie diesem von mir ungesehen bewegen konnten.
Niemand war mir über den Weg gelaufen, der meinen Verdacht erregt hätte. Zwar hatte ich einige lichtscheue Gestalten gesehen, aber mir wurden sie nicht gefährlich.
Ich erreichte die Laterne, schaute auf die Uhr und stellte fest, daß ich drei Minuten zu früh war. Da durfte ich mich auch nicht beschweren. Nachdem eine Viertelstunde vergangen war, schon. Ich wurde allmählich sauer. Der Regen nieselte auf meinen Trench und ebenfalls auf die Haare, die von keinem Hut geschützt wurden. Das war so das richtige Erkältungswetter im November.
Wann kam er? Kam er überhaupt?
Ich wartete, ich wurde ungeduldig, schaute immer in verschiedene Richtungen, hörte mal das Rattern eines nicht weit entfernt vorbeifahrenden Zuges - und sah die Gestalt.
Plötzlich war er da.
Er schien sich materialisiert zu haben, jedenfalls hatte ich ihn nicht kommen sehen.
Bisher hatte ich die Hände in den Trenchtaschen verborgen gehabt. Nun zog ich sie hervor und nahm eine lauernde und etwas abwartende Haltung ein.
Erich Meier trug einen Mantel wie ich. Nur war seiner dunkler und gerade geschnitten. Er umhing seinen Körper wie ein nasser Sack. Den Kopf schützte ein Hut, der zudem einen Schatten gegen die Stirn des langsam auf mich zuschlendernden Mannes warf.
Er blieb stehen, als uns noch drei Schritte trennten. »John Sinclair?« fragte er mich.
»Erich Meier?« fragte ich und hatte Mühe nicht zu lachen, denn diese Szene kam mir wie gestellt vor.
»Das bin ich.«
»Dann ist alles klar.«
Er kam näher, und ich machte sofort Nägel mit Köpfen. »Können wir uns nicht dort unterhalten, wo es trockener ist?«
»In einem Lokal?«
»Nein, nein, wir bleiben schon hier. Kommen Sie bitte mit.« Ich ging vor, und Erich Meier blieb zwei Schritte hinter mir, als wollte er mir den Rücken decken.
Der Boden glänzte schwarz und naß. Manche Pfützen sahen aus wie übergroße, dunkle Augen, die vom Boden aus zu beobachten schienen. Die Luft war schwer. Sie stank nach allen möglichen Gerüchen, und die Wolken lagen so tief, daß sie beinahe den Erdboden berührten.
Ich hatte mich schon zuvor umsehen können und das trockene Plätzchen nicht vergessen. Unter einem Vordach aus Wellblech, mit dem ein schmaler, kasernenartiger Bau abschloß, blieb ich stehen, drehte mich um und sah, wie Meier seinen Hut abnahm und das Wasser ausschüttete. Er war ein knochiger Typ, jedenfalls vom Gesicht her. Seine Haut zeigte eine ungesunde Farbe, und bei seiner nach unten breit verlaufenden Nase fielen
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